buchspektrum Internet-Buchhandlung

Neuerscheinungen 2012

Stand: 2020-01-07
Schnellsuche
ISBN/Stichwort/Autor
Herderstraße 10
10625 Berlin
Tel.: 030 315 714 16
Fax 030 315 714 14
info@buchspektrum.de

Jameleddine Ben-Abdeljelil, Hans Schelkshorn (Beteiligte)

Die Moderne im interkulturellen Diskurs


Perspektiven aus dem arabischen, lateinamerikanischen und europäischen Denken
Herausgegeben von Schelkshorn, Hans; Ben-Abdeljelil, Jameleddine
1. Aufl. 2012. 240 S. 222 mm
Verlag/Jahr: VELBRÜCK 2012
ISBN: 3-942393-33-6 (3942393336)
Neue ISBN: 978-3-942393-33-1 (9783942393331)

Preis und Lieferzeit: Bitte klicken


Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts sind in Lateinamerika, Asien (Indien, China, Japan) und in jüngerer Zeit auch in Afrika eigenständige Diskurse über die Moderne entstanden, die jedoch von der europäischen Philosophie über lange Zeit hinweg kaum wahrgenommen worden sind. Erst in jüngerer Zeit kommt es durch die Beschleunigung von Globalisierungsprozessen zu einer Öffnung für moderne Denkformen jenseits der Grenzen der westlichen Welt. Die gegenwärtigen Umbrüche in der arabischen Welt zeigen eindrucksvoll, dass heute ein globaler Diskurs über die Moderne ein Gebot der Stunde ist. In diesem Sinn präsentieren DenkerInnen aus der arabischen Welt, aus Lateinamerika und aus Europa divergente Konzepte und Diagnosen "der" Moderne, die aus unterschiedlichen Erfahrungen mit "der" Moderne und kulturellen Deutungshorizonten erwachsen.
Im 18. Jahrhundert entsteht im europäischen Denken ein "Diskurs über die Moderne" (Habermas, Foucault), in dem die gesellschaftlichen und kulturellen Umwälzungen seit dem 15. Jahrhundert im Rahmen einer geschichtlichen Selbstvergewisserung verarbeitet werden. Der Diskurs über die Moderne ist von Anfang in unterschiedliche Disziplinen zersplittert, die von den Geschichts- über die Sozialwissenschaften bis hin zur Philosophie und Kunsttheorie reichen. Die "Moderne" ist daher ein äußerst vieldeutiger Begriff, der je nach theoretischer Ausrichtung mit unterschiedlichen Chronologien verbunden ist.
Durch die transozeanische Expansion seit dem 15. Jahrhundert ist die Moderne von Anfang an ein globales Phänomen, dem sich inzwischen keine Kultur mehr entziehen kann. In den europäischen Modernediskursen kommen allerdings "andere" Kulturen primär als Objekt der Analyse vor, und zwar sowohl in den aufklärerischen Fortschrittstheorien als auch in kulturalistischen Konzeptionen. Aus diesem Grund war der Diskurs über die Moderne bis vor kurzem ein Monolog des europäischen bzw. nordamerikanischen Denkens.
Seit dem 19. Jahrhundert sind jedoch in verschiedenen Regionen der Welt Denkbewegungen entstanden, in denen die Herausforderungen der europäischen Zivilisation jeweils mit den eigenen kulturellen Traditionen vermittelt werden. In diesem Sinn können die neohinudistischen Philosophien von Raman Mohan Roy bis Mahatma Gandhi, die Kyoto-Schule in Japan, die von Juan Bautista Alberdi begründete Tradition einer "filosofía americana" oder die Ansätze einer Erneuerung des arabisch-islamischen Denkens, die vor allem von Saiyid Ahmad Kahn und Al-Afgani angestoßen worden sind, als außereuropäische Beiträge zum "Diskurs über die Moderne" verstanden werden.
In der europäischen Philosophie sind allerdings Moderne- Diskurse außerhalb der Grenzen der westlichen Welt bis vor kurzem weitgehend ausgeblendet worden. Erst in jüngerer Zeit erwacht vor allem im Kontext der "interkulturellen Philosophie" das Interesse an außereuropäischen Denkformen, das nicht einer Neugier nach dem Exotischen, sondern einem sachlichen Motiv entspringt. Da die Moderne ein globales Phänomen ist, das zahlreiche Kulturen bis heute in einen ökonomischen und kulturellen Überlebenskampf hineinzwingt, ist ein globaler Diskurs über Moderne, in dem sich die Denkformen aller Kulturen einbringen können, ein Gebot der Stunde. In diesem Sinn versteht sich der vorliegende Band als ein Beitrag zu einem planetarischen Dialog über die Moderne
. Interkulturelle Dialoge stehen jedoch vor mannigfachen methodischen und inhaltlichen Problemen, die bereits mit der begrifflichen Festlegung von Themen einsetzen. So ist, wie die Beiträge von Hasan Hanafi und Wolfgang Knöbl aufzeigen, der Begriff "Moderne" nicht nur äußerst vieldeutig, sondern enthält eine gerade für einen interkulturellen Dialog zugleich belastetende Semantik.
Denn der Begriff der "Moderne" fungiert seit dem 19. Jahrhundert als eine Schlüsselkategorie für europäische Selbstverständigungsdiskurse, in denen andere Kulturen zumeist in eurozentrischen Verengungen wahrgenommen worden sind.
Trotz der semantischen Hypothek ist in den letzten Jahrzehnten eine beachtliche Vielfalt an Modernetheorien außerhalb der Grenzen der westlichen Welt entstanden. Aus der Fülle unterschiedlicher Ansätze werden in diesem Band Beiträge von AutorInnen aus dem arabischen, lateinamerikanischen und europäischen Denken präsentiert, die auf einem Symposium in Wien 2009 aufbauen. Darin sollte einerseits die Fixierung auf dualistische Dialog- Konstellationen zwischen Europa und einer anderen Kultur überwunden und andererseits der Süd-Süd-Dialog gefördert werden.