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Bettina Will

Gesellschaftliche Gewalt und Geschlechterverhältnis in der Prosa Ingeborg Bachmanns: Die Fremddefinition von Weiblichkei


Erstauflage. 2014. 72 S. 220 mm
Verlag/Jahr: BACHELOR + MASTER PUBLISHING 2014
ISBN: 3-9568440-3-3 (3956844033)
Neue ISBN: 978-3-9568440-3-4 (9783956844034)

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Ingeborg Bachmann setzt sich vor allem in ihrer Prosa mit der Fremddefinition von Frauen als Beispiel für allgemein wirksame gesellschaftliche Unterdrückungsmechanismen auseinander. In einem Bogen von ihrer frühen Lyrik über poetologische Konzepte bis zu ihren zuletzt veröffentlichten Schriften wird sichtbar, welche Bedeutung Ingeborg Bachmann der Geschichte im Ich zuspricht, und damit einem historischen Bewusstsein als unbedingte Voraussetzung für die literarische Gestaltung von Wirklichkeit in der Nachkriegsgesellschaft. Denn erst auf dieser Grundlage werden auch utopische Entwürfe denkbar, sowohl in der Literatur als letztendlich auch in der Gesellschaft. Zentrale Quellentexte der Untersuchung sind Ingeborg Bachmanns frühe Gedichte, ihre Poetikvorlesungen, die Erzählungen ´Unter Mördern und Irren´, ´Ein Schritt nach Gomorrha´, sowie die Texte zum Todesarten-Projekt ´Requiem für Fanny Goldmann´, ´Der Fall Franza´ und ihr Roman ´Malina´.
Textprobe:
Kapitel 3.4.2, Macht der Geschichte:
Durch ihre Mitwirkung an Jordans Untersuchung über die Versuche an weiblichen Häftlingen. Über die Spätschäden (III, 455) während des Nationalsozialismus erfährt Franza Stärkung und Selbstbestätigung (III, 383). Als Jordan ihre wissenschaftliche Mitarbeit an dieser bedeutsamen Studie (II, 383; III, 410f.) verschweigt, zerstört er ihren letzten Halt. Dabei setzt er seine Macht auch hier bewußt und kalkuliert brutal ein, denn er erwähnt alle seine Assistenten - mit Ausnahme Franzas: Er wollte mich auslöschen, mein Name sollte verschwinden, damit ich danach wirklich verschwunden sein konnte [...] so war es doch alles gewesen, was ich je sichtbar getan hatte [...]. Das hatte mich gehalten einige Jahre, hatte mich am Leben erhalten, meinen Eifer, meine Überzeugungen. (III, 410f.).
Der Bezug Franzas auf eine Arbeit, mit der sie sich identifizieren kann, bleibt so ohne jegliche Resonanz. Jordan nutzt ihr Interesse zugunsten seiner Karriere aus (II, 384), so wie er auch seinen Vetter, der im KZ interniert war, ausgenutzt zu haben scheint (II, 384, II 377f.) Dieser Vorgang ist nur unter den Bedingungen einer Ehe denkbar. Diese gesellschaftliche Institution sanktioniert das Geschlechterverhältnis als Eigentumsverhältnis, in dem die Frau in den Besitz des Mannes übergeht. Die Konvention, wonach die Ehefrau den Namen des Mannes annimmt, löscht ihren Namen aus und damit sie als öffentliche Person: du lachst mit jemand als wäre der Welt damit ein wunderbarer Streich gespielt worden mit diesem Türzufallen, dem Namenwechsel, du denkst keinen Augenblick, es könnte dir gespielt worden sein [...]. Es ist furchtbar, es ist eine Schande, eine Schandgeschichte, die sich zuzutragen beginnt. (III, 408).
Die gesellschaftliche Isolation markiert den Rahmen für jegliche Form der Unterdrückung, weil darin jedes Verhalten erlaubt ist. (III, 406) Der Ort, an dem sie Schutz suchte, wird ihr zur Falle. (III, 360) In der Ehe sieht Ingeborg Bachmann ein Strukturmerkmal der patriarchalischen Gesellschaft, mit dem ein grundsätzliches Herrschaftsverhältnis konstituiert wird. Schon in der Erzählung EIN SCHRITT NACH GOMORRHA (II, 87) charakterisiert sie die Ehe als Zustand, der stärker ist als die Individuen, die in ihn eintreten (II, 203). Denn darin sind keine Experimente in den Beziehungen möglich, dieser Zustand bedeutet Starre und Unbeweglichkeit für die Beteiligten, weil Ehe eingehen schon heißt, in ihre Form eingehen (II, 203). Für die Frauen hat dies spezifische Konsequenzen, denn ihr Lebensraum wird auf das sogenannte Private reduziert und ihr Leben verläuft unbemerkt von der Öffentlichkeit.
Hier zeigt sich bereits auf der Alltagsebene, warum Frauen von der offiziellen Geschichtsschreibung ausgeschlossen sind. Ihre einzig gesicherte Tradition besteht in der jahrtausendealten Unterdrückung und Ausgrenzung in patrilinearen Gesellschaftsordnungen. Diese abstrakt historische Tatsache konkretisiert sich in DER FALL FRANZA an den Stätten des Todes, den Friedhöfen und Grabmälern, wo allein die Gewähr weiblicher Existenz abzulesen ist. (III, 372).
Erst nach ihrem Tod wird ihre, individuell bleibende, Geschichte sichtbar, denn die offizielle Dokumentation historischer Entwicklungen ist in erster Linie eine der materiellen und politischen Interessen. Sie manifestiert sich an den Namen der Männer,. Namen hinter denen sich der Besitz verbarg und die Monstrosität des Besitzenkönnens und Besitzenwollens. (III, 372f.).
Für den Versuch, die Existenz der Frauen über den Tod hinaus zu negieren und damit ihre historische Bedeutung zu verschweigen, gibt es auch in früheren Kulturen Spuren und Belege. Am Grabmal der Königin Hatschepsut ist jedes Zeichen und Gesicht getilgt . (III, 436) Schänder dieses Grabes ist Tuthmosis, Hatschepsuts Nachfolger. Er hat jedoch, wie Franza feststellt vergessen, daß an der Stelle, wo er sie getilgt hat, doch sie stehen geblieben ist. Sie ist a