buchspektrum Internet-Buchhandlung

Neuerscheinungen 2015

Stand: 2020-02-01
Schnellsuche
ISBN/Stichwort/Autor
Herderstraße 10
10625 Berlin
Tel.: 030 315 714 16
Fax 030 315 714 14
info@buchspektrum.de

Christian Oelemann

Nur für Erwachsene


2015. 370 S. 21 cm
Verlag/Jahr: VERLAG 3.0 ZSOLT MAJSAI 2015
ISBN: 3-9566714-9-X (395667149X)
Neue ISBN: 978-3-9566714-9-4 (9783956671494)

Preis und Lieferzeit: Bitte klicken


Der siebzehnjährige Frieder Heinziger findet einen stehengebliebenen Samsonite-Koffer. Weil er sich langweilt, entfernt er sich von der Feierrunde und schafft ihn ins nahe gelegene Zuhause. Dort versteckt er ihn im Keller. Am nächsten Tag macht er sich daran, den Koffer gewaltsam zu öffnen und findet darin u.a. einen prall gefüllten Leitzordner mit Geschichten; der Koffer gehörte einem gewissen Magnus Hochfeldt. Im Internetcafé recherchiert er, dass Magnus Hochfeldt tags zuvor an einem Herzinfarkt in Wuppertal verstorben ist. Handelt es sich dabei um sein neuestes Manuskript? Frieder gibt der Verlockung nach, sich als angehenden Schriftsteller bewundern zu lassen, nicht nur, um seinem ihm intellektuell überlegenen Freund Piet etwas bieten zu können, sondern insbesondere auch die Gunst der Tochter der frisch eingezogenen Nachbarsfamilie zu erwerben. Im Zwiespalt mit seinem Wunsch nach Anerkennung und seinen moralischen Werten ist er auf der Suche nach sich selbst und seinem Platz in einer Welt zwischen Schein und Sein.
Der Mann, vor dem sich Frieder eingeschlossen hatte, summte jetzt eine Allerweltsmelodie (Raindrops keep falling on my head). Ein Geldstück fiel klackend in den Kondom-Automaten. Mit einem Ratschen wurde die Schublade herausgezogen.
Frieder fiel ein, dass er sich einmal fürchterlich die Finger geklemmt hatte, als er seine erste Kondompackung zog. Klavierspielern bleibt derlei lange in Erinnerung.
Dem schwarzen Ibach-Klavier trauerte Frieder nach; Monika hatte es vor dem Umzug nach Vohwinkel an einen pickeligen Lehramtstudenten mit Pferdeschwanz abgegeben, angeblich nicht wegen der läppischen 200 Euro, die es einbrachte, sondern weil der schwere Kasten partout nicht durchs Treppenhaus in der Kaiserstraße passte. Thomas hatte auf entsprechende Messungen hingewiesen; Frieder musste sich abfinden und fand sich ab, als sei er dazu berufen, die Gültigkeit von Monikas Lieblingsweisheit zu beweisen (glücklich ist, wer vergisst, was nicht mehr zu ändern ist). Der Spruch prangte in Form einer Postkarte an Heinzigers Küchenpinwand.
Zum Glück war Frieders Kurskollege Sven Schmückler Sohn eines Hauptschul-Hausmeisters in Langerfeld; dort in der Aula gab es einen (nur leicht) verstimmten Flügel, und Frieder durfte gegen den "Freundschaftspreis" von 10 Euro, immerhin 50 % seines Monatseinkommens, mittwochnachmittags auf ihm spielen, bis Schmückler senior befand, dass es genug sei.
Die Wasserspülung des Pinkelbeckens rauschte, und wenig später hörte Frieder die Tür zufallen; er war wieder allein.
Frieder nahm den Koffer zwischen seine Hände und schüttelte ihn vorsichtig; nichts darin klapperte, doch angesichts des beachtlichen Gewichts konnte er unmöglich leer sein. Vermutlich war er im Gegenteil mit irgendetwas prall gefüllt. Frieder erwog zwei Möglichkeiten: Die erste bestand darin, den Koffer am Tresen beim Cheffe abzuliefern, was normal gewesen wäre, wie er später eingestand. Er entschied sich jedoch für die zweite, nahm seinen Fund an sich und verließ damit eilig das "Capri", vom Rest der Feiernden unbemerkt. Warum tat er das? Weil es ihm wirklich die Langeweile vertrieb?
Er musste an einen Roman von Albert Camus denken, den Piet ihm geliehen und zur Pflichtlektüre erklärt hatte. In "Der Fremde" wird ein Mörder vor Gericht nach dem Grund seiner Schandtat gefragt. "Wegen der Sonne" lautet seine Antwort, und ähnlich wie dieser Mörder kam sich Frieder nun selbst vor. Bei ihm war es allerdings die pure Langeweile und nicht die Sonne, die ihn zum Täter werden ließ.