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Stand: 2020-02-01
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Michael Kemmer

Hochbegabung: Messmethoden und Informationsquellen für die Identifikation hochbegabter Underachiever


Erstauflage. 2015. 100 S. 13 Abb. 220 mm
Verlag/Jahr: DIPLOMICA 2015
ISBN: 3-9593462-8-X (395934628X)
Neue ISBN: 978-3-9593462-8-3 (9783959346283)

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In einer Broschüre des Bundesministeriums für Bildung und Forschung aus dem Jahre 2006 wird die Wichtigkeit der Entdeckung und Förderung von individuellen Stärken hervorgehoben. Dabei wird als ein bildungspolitisches Ziel die Förderung von Begabungen genannt. Doch vor einer Förderung steht zunächst einmal die Identifikation von Individuen mit besonderen Begabungen. Nicht immer sind hochbegabte Personen auf den ersten Blick erkennbar. Es kann vorkommen, dass sich ihre Begabungen unter bestimmten Umständen nur schwer in Leistung umsetzen lassen. So eine Person nennt man dann einen hochbegabten Underachiever oder Minderleistenden. Doch auch diese gilt es zu identifizieren, um ihnen die bestmögliche Förderung zukommen zu lassen. Mit der hier vorliegenden Arbeit möchte ich Möglichkeiten der Identifikation Hochbegabter darstellen und dabei der Frage nachgehen, ob die verschiedenen Messmethoden und Informationsquellen für die Identifikation hochbegabter Underachiever geeignet sind.
Textprobe:
Kapitel 4.3.1, Subjektive Verfahren der Hochbegabungsdiagnostik:
Zensuren:
Hochleistung in der Schule kann laut TROST mittels "grade point average, by rank in class, or by teacher ratings" (2000: 317) gemessen werden. FEGER & PRADO führen in der Tabelle 4 an, dass der Vorteil von Zensuren sei, dass diese für eine Mehrzahl an Kindern vorlägen und deshalb auch leicht verfügbar seien (1998: 46). Zensuren sind laut HAGEN auch in Schülerakten enthalten (1989: 36). Sie bezeichnet die Noten als eine Form des Lehrerurteils. Demnach geben Noten einen Aufschluss über das Leistungsniveau und die Leistungskonsistenz eines Schülers. Um die Noten für eine Identifizierung heranzuziehen, sollte man nach HAGEN Kodierpläne einsetzen, die im unteren Leistungsbereich eher grobe, im oberen Bereich eher feine Differenzierungen zulassen (37). Nach STAPF sind u.a. Noten im Bereich der Anamnese, Exploration und Verhaltensbeobachtung notwendig, um den aktuellen kognitiven Leistungsstand zu erfassen. Demnach sind in diesem Falle auch Einsichten in die Zeugnisse vorzunehmen (2003: 138), um dadurch eine Interpretationshilfe zur Ergänzung von objektiv gewonnenen Daten zu erhalten. FEGER differenziert innerhalb der Zensuren noch einmal, wenn sie anmerkt, dass man die Noten der Fächer heranziehen sollte, die auch die intellektuellen Fähigkeiten fordern, ohne ein konkretes Fach zu nennen (1988: 102). Sie bezieht sich dabei auf LUCITO, der herausfand, dass hochbegabte Kinder durchweg gute Schüler sind und gute Noten haben (zitiert nach FEGER, 1988: 102). Der Begriff `durchweg ist meines Erachtens unzweckmäßig gewählt, da man annehmen könnte, Hochbegabte hätten keine Probleme, gute Noten zu bekommen. Dies wurde jedoch am Beispiel der Underachiever, die sich gerade durch schlechte Noten auszeichnen (SCHILLING, 2002: 39), widerlegt. Zensuren sind aber insofern bedeutsam, als dass sie laut SCHULER für den weiteren Lebensweg entscheidend sind, da sie mit Studienerfolg und Berufserfolg korrelieren (2001: 504f.). Zensuren umfassen nicht nur Wissen und Können, sondern auch und insbesondere Faktoren wie Arbeitshaltung oder Betragen, so SCHILLING (2002: 39) und SCHULER (2001: 506). Darin liegt auch eine Möglichkeit der Kritik, denn gerade durch Fleiß und Einsatz kann nach SCHILLING ein Defizit im intellektuellen Bereich oder anderen Hochbegabungsbereichen ausgeglichen werden, was Zensuren für die Auswahl Hochbegabter ungeeignet macht (2002: 39). Im Endeffekt kommt es bei der Nutzung von Noten auf den Zweck der Identifizierung an. So sagt HANY, dass gerade bei unterrichtsähnlichen Inhalten innerhalb eines Förderprogramms gute Noten sehr valide sein dürften, um eine Erfolgsprognose abgeben zu können (1987: 180).
Zensuren, die zur Identifikation von Hochbegabten herangezogen werden, unterliegen auch der Kritik. INGENKAMP hat sich zu der Bedeutung von Zensuren umfangreich und negativ geäußert (1974: 407-412). Er bezeichnet sie trotz aller Unzulänglichkeiten als wichtigstes Instrument des Lehrerurteils. Demnach sind Noten nicht sehr reliabel, bevorzugen Mädchen, beinhalten eine Bewertung des sozialen Verhaltens und der Herkunft des Schülers und werden durch den HALO-Effekt beeinflusst. Die Bevorzugung von Mädchen im Bereich der Notengebung ist nach ZIEGENSPECK in fast allen Fächern überdurchschnittlich, was sich aber in höheren Gymnasialklassen relativiert (1982: 627). Das klasseninterne Bezugssystem, auf welches der Lehrer sich bei der Notengebung stützt, ist laut INGENKAMP auch ein Kritikpunkt, wenn es um objektive Beurteilung gehen soll. So kann ein Schüler, der in einer Klasse die Note `Gut erzielt, schlechter sein als ein Schüler, der in einer anderen Klasse die Note `Ausreichend erzielt, da der Lehrer im Beurteilungsverfahren `seine Schüler in eine Rangreihenfolge bringt (1974: 407). Einige der angeführten Kritikpunkte INGENKAMP s führen auch FEGER & PRADO in Tabelle 4 an, wo sie als Nachteil der Zensuren eine ge