Das unionsrechtliche Kohärenzgebot statuiert für Eingriffe in die Marktfreiheiten einen strengen Rechtfertigungsstandard. Der bereits auf Verfassungsebene in der affinen Figur der Systemgerechtigkeit angelegte Widerstreit zwischen legislativer Entfaltung und judikativer Rationalitätskontrolle erhält im Kontext des Mehrebenensystems eine neue Qualität. Der Auflösung dieses Spannungsfeldes widmet sich Maximilian Philipp und führt die Frage um die Legitimität eines weitreichenden Kohärenzgebotes - unter Akzentuierung seiner marktspezifischen Funktionen - zu einem abschließenden Ergebnis.Der Autor befasst sich mit einem anhaltend kontrovers diskutierten Rechtfertigungsstandard für Eingriffe in die EU-Marktfreiheiten: dem Gebot der Kohärenz nationaler Gesetzgebung. Die offenbare Nähe zur Widerspruchsfreiheit, aber vor allem auch die engen Bezüge zum Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und Gleichbehandlungsgebot charakterisieren das Kohärenzgebot als unionsspezifische Ausprägung der im Verfassungsrecht entwickelten Systemgerechtigkeit. Mit Blick auf etwaige übertragbare Normen setzt die Untersuchung an diesen verfassungsrechtlichen Wurzeln an, um hierauf aufbauend zu einer abschließenden dogmatischen Verortung und Gesamtbeurteilung des Gebotes zu gelangen. Letztere nimmt dabei insbesondere das Spannungsfeld zwischen der Kontrollfunktion des Kohärenzgebotes und den gewichtigen demokratiebezogenen Friktionen in den Blick. Die abschließende rechtsvergleichende Analyse des Einsatzes von Kohärenzprinzipien im Welthandelsrecht und in der EMRK dient zusätzlich der Auflösung des um das Kohärenzgebot geführten Legitimationskonflikts.A. Einleitung
Problemstellung und Untersuchungsgegenstand - Gang der Untersuchung
B. Kohärenz als europäischer Systemgerechtigkeitsbegriff
Erarbeitung eines unionsrechtlichen Begriffs der Systemgerechtigkeit - Abgrenzung des Kohärenzgebotes vom Postulat der Systemgerechtigkeit
C. Das unionsrechtliche Kohärenzgebot in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs
Normativer Kontext des Kohärenzgebotes - Die semantischen Grundlagen des unionsrechtlichen Kohärenzgedankens - Die Entwicklung des Kohärenzgedankens durch den Europäischen Gerichtshof - Die inhaltliche Reichweite des Kohärenzgebotes - Rechtfertigungsbezogener Anwendungsbereich des Kohärenzgebotes - Außerachtlassung der innerstaatlichen Kompetenzordnung - Implizite Beachtung sozioökonomischer Belange - Die dogmatische Einordnung des Kohärenzgebotes
D. Das unionsrechtliche Systemgerechtigkeitsgebot in der Beurteilung
Vorüberlegungen - Das Erfordernis der Gesamtkohärenz - Kohärenzgebot und Subsidiaritätsgedanke: Auflösung des Konflikts - Bedenken in rechtsstaatlicher und demokratischer Hinsicht - Zur Legitimität von sozioökonomischen Belangen
E. Kohärenzargumentation außerhalb der Grundfreiheitsdogmatik
Kohärenzanforderungen im Rahmen der EU-Grundrechte - Kohärenzargumente in der Europäischen Konvention für Menschenrechte - Kohärenzargumente im Welthandelsrecht