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Neuerscheinungen 2016

Stand: 2020-02-01
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Jürgen Paul

Lokale und imperiale Herrschaft im Iran des 12. Jahrhunderts


Herrschaftspraxis und Konzepte
2016. 568 S. 24 cm
Verlag/Jahr: REICHERT 2016
ISBN: 3-9549010-3-X (395490103X)
Neue ISBN: 978-3-9549010-3-6 (9783954901036)

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Wie ist politische Herrschaft organisiert? Von oben nach unten, in Delegation? Oder gibt es andere Formen, bei denen Herrscher ihre Positionen aus eigener Machtvollkommenheit einnehmen?
Das Buch geht dieser Frage in drei Schritten nach. Zunächst führt der Autor den Nachweis, dass es in der fraglichen Zeit eine Schicht lokaler Herren gab, die nicht von einem Oberherrn eingesetzt waren, und zwar sowohl auf der nomadischen als auch auf der sesshaften Seite der Gesellschaft. Die in der staatsrechtlichen Literatur der Zeit gängige Theorie der Delegation von Herrschaftsbefugnissen vom Kalifen an den Sultan und weiter an Gouverneure und Emire wird so relativiert. Zweitens untersucht er die Verbindungen zwischen dem Sultan und diesen lokalen Lords, aber auch denjenigen Großen des Reichs, die dem Haushalt des Sultans angehören. Im Ergebnis stellt er eine Dynamik von "Dienst" und "Wohltun" heraus, persönliche Verbindungen, die oft über Treueide und/oder andere Zeremonien bewerkstelligt und bekräftigt werden. Zentral ist die Untersuchung der sozialen Bindungen zwischen Repräsentanten unterschiedlicher Niveaus von Herrschaft. Drittens stellt er einleitend das theoretische Umfeld vor. Dabei geht er auf das Staatsverständnis, die Geschichte des politischen Denkens im iranischen Mittelalter und der Feudalismusbegriff ein. Der Schlussteil enthält einige Vergleiche, in denen, vom iranischen Material und dem "Dienst und Wohltun"-Modell ausgehend, ein Blick auf Westeuropa und Japan geworfen wird.
Der Vorstellung von "Reich" und dem damit verbundenen Bild des Sultans als absolutem Herrscher setzt dies Buch ein Verständnis von Herrschaft (lordship) entgegen, das verstärkt auf die vielfältigen Verflechtungen von Ansprüchen und Verpflichtungen eingeht, die zur Produktion von Herrschaft gehören. Als Material dienen neben "Erfolgsgeschichten" auf der imperialen Ebene auch Berichte von gescheiterten und flüchtigen Staatsgründungen.
Das Buch geht in der Kombination von theoretischer Diskussion und quellengestützter Analyse weit über den Stand der Forschung hinaus. Es ist damit nicht allein für Spezialisten der Geschichte Irans oder des Mittleren Ostens interessant, sondern sollte Leser auch darüber hinaus ansprechen. Wer transkulturelle historische Forschung für möglich und nötig hält, wird hier auf seine Kosten kommen.
Prof. Dr. Jürgen Paul

geb. 1949 in Lindholm/Nordfriesland

Studium der Islamwissenschaft in Hamburg.

Promoviert 1989 in Hamburg, Dissertation "Die politische und soziale Bedeutung der Naqsbandiyya in Mittelasien im 15. Jahrhundert" (erschienen Berlin 1991)

Habilitation 1993 in Hamburg, "Herrscher, Gemeinwesen, Vermittler: Ostiran und Transoxanien in vormongolischer Zeit" (erschienen Beirut 1996)

1995-2013 Professor für Islamwissenschaft an der Martin-Luther-Universität Halle

2011-2013 Förderung im Programm "Opus Magnum" der Initiative "ProGeisteswissenschaften" der VolkswagenStiftung und der Fritz-Thyssen-Stiftung, Forschung für das vorliegende Werk

2013 emeritiert

Forschungsinteressen: Geschichte Irans und Mittelasiens, Mittelalter und Frühe Neuzeit