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Stand: 2020-02-01
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Pascale Kramer, Andrea Spingler (Beteiligte)

Autopsie des Vaters


Roman
Übersetzung: Spingler, Andrea
2017. 176 S. 20.4 cm
Verlag/Jahr: ROTPUNKTVERLAG, ZÜRICH 2017
ISBN: 3-85869-759-1 (3858697591)
Neue ISBN: 978-3-85869-759-2 (9783858697592)

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"Pascale Kramer ist eine Meisterin der Zwischentöne, des beredten Schweigens, der ´non-dits´. Eine, die die Zeichen der Zeit - und des Zeitgeistes - virtuos dechiffriert."
Bundesrat Alain Berset anlässlich der Verleihung des Schweizer Grand Prix Literatur 2017
Ania hat ihren Vater jahrelang kaum gesehen. Da erreicht sie eines Tages ein Anruf seiner neuen Frau: Gabriel hat in der Nacht Selbstmord
begangen. Der Freitod scheint im Zusammenhang mit dem Skandal zu stehen, den der als linker Intellektueller bekannte Radiojournalist
ausgelöst hat, als er öffentlich Partei für zwei junge Einheimische ergriff, die an seinem Wohnort einen afrikanischen Sans-Papiers brutal
ermordet haben.
Als sich Ania zur Beerdigung in der Pariser Peripherie aufmacht, schlägt ihr in dem tief gespaltenen Dorf eine hasserfüllte Atmosphäre
entgegen. Aber auch in ihrem alten Elternhaus stößt sie einzig auf Fremdheit und muss sich die Frage stellen, wie es dazu kommen konnte,
dass ihr Vater eine solch unerträgliche Wendung vollzog.
Pascale Kramer seziert in Autopsie des Vaters ein Land im Kippzustand. Das Skalpell ansetzend, erzählt sie vom Wegschauen, von der Abschottung einer ganzen Gesellschaftsschicht und wirft gleichzeitig ein schmerzhaft klares Licht auf das Innerste einer Familie, die verpasste Verständigung zwischen Vater und Tochter.
Ania klopfte und trat ein. Sie war überrascht von dem abgestandenen Geruch nach Wäsche und alter Haut, den ein Luftzug sinnlos aufwirbelte. Ein Notizblatt wehte ihr vor die Füße, als die Tür hinter ihr zufiel.
Clara war im Schlafzimmer, sie rief, sie werde gleich kommen. Ania hängte ihre Tasche an die Garderobe, band ihren Pferdeschwanz neu, bedauerte, sich für diese erste Begegnung nicht ein bisschen hübscher gemacht zu haben. Die Badezimmertür hinter ihr war einen Spaltbreit geöffnet; eine nackte Glühbirne warf Reflexe auf die dunkelgrünen Fliesen. Ania erinnerte sich, wie es ihr als Kind zuwider war, mit nackten Füßen den gekachelten Boden zu betreten. Sie stieß die Tür auf und machte Licht. Die Badewanne war voller Handtücher. Auf dem Rand des Waschbeckens lagen ein schaumverklebter Plastikrasierer und die gesammelten Medikamente von jemandem, der Angst hat zu sterben. Ania drang in
die Intimsphäre eines Vaters ein, von dem sie letztlich nur Ansichten gekannt hatte, sie fühlte nichts, aber es war verwirrend.