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Mika Alexidse, Maja Lisowski, Traian Pop, Uli Rothfuss (Beteiligte)

Man spricht nicht über den Tod


Erzählungen Nach einer Auswahl von Dato Barbakadse und mit einem Vorwort von Nana Trapaidse
Herausgegeben von Pop, Traian; Übersetzung: Lisowski, Maja
2017. 173 S. 200 mm
Verlag/Jahr: POP VERLAG 2017
ISBN: 3-86356-172-4 (3863561724)
Neue ISBN: 978-3-86356-172-7 (9783863561727)

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Nana Trapaidse

Die Stimmen und die Leere

"Womöglich ist auch der Tod bloß eine Art der Schönheit
oder die Schönheit ist die Gabe eines Gemarterten,
die Gabe, mit dem Tod allein zu bleiben."

Mika Alexidse

"Man spricht nicht über den Tod"

Die Sammlung der Erzählungen von Mika Alexidse wurde zum ersten Mal 1985 herausgegeben. Eine weitere folgte 1985. In den georgischen Druckmedien wurden sowohl seine Erzählungen als auch seine Gedichte regelmäßig veröffentlicht. Auch wenn Mika Alexidse zu seiner Zeit kein unbeschriebenes Blatt war, erregte seine psychologische Prosa sowohl die Gemüter der damaligen Leser als auch die seiner Kollegen. Dennoch wurde er von den georgischen Literaturkritikern der Vergessenheit ausgeliefert. Auch solche Paradoxe sind Teil georgischer Literaturgeschichte. Und so entstand bei mir beim Lesen dieser Erzählungen das Gefühl der Überraschung, so ähnlich, wie man vor etwas Großem und Unerwartetem steht: Wie ist das denn nur möglich?

Ich las in der Vollkommenheit der Erzählungen Mika Alexidses die schönen und weniger schönen Geheimnisse der menschlichen Seele. Neben diesen Geheimnissen und der Schönheit der Seele auch jene Ungerechtigkeiten, in die das Schicksal der Erzählungen und auch ihres Autors verwickelt wurden. Leider blicken wir heute auf ein fünfundzwanzigjähriges Schweigen zurück, auf das Vergessenwerden, das diese seltenen Werke aus der Literaturwelt entfernt hatte.

Mika Alexidses Erzählungen wurden in den 1980er-Jahren geschrieben. Das war die Zeit der historischen Bewegungen: Die Sowjetunion "veränderte sich", nationale Bewegungen und die Zeit des gesellschaftlichen Bebens kamen auf. Damals wurden die Menschenmassen von globalen Denkströmungen so angetrieben, als würden sie in deren Willen agieren. Gerade große Ereignisse machen aus einem Menschen eine Marionette, nur so zum Vergnügen. Je stärker die Strömung und je breiter das Flussbett ist, desto größer ist die Illusion der Freiheit. Die heftigen gesellschaftlichen Aufregungen der 80er- und 90er-Jahre waren das schwere Los derer, die in diese Strömung der Zeit geraten waren, mit der gesellschaftlicher Psychose und den tragischen Folgen der Bürgerkriege. Als hätte gerade hier, in dieser nationalen Hölle das Epizentrum des menschlichen Daseins gelegen, aber hinter dem lärmenden Vorhang der Zeit zeigt der Negativ-Film der Geschichte ein anderes Bild und zwar davon, dass die wahre Wahrheit hinter den Schritten der Zeit läuft, und für diese Wahrheit gibt es keine größere Sünde und Feigheit als die blinde Kraft, mit der sich die Menschen vor verbotener Reinheit des Erwachsenseins und der Fülle schützen.

In Mika Alexidses Erzählungen werden keine Geschichten erzählt. Sie werden nicht deswegen nicht erzählt, weil der Literatur der Erzählstoff ausgegangen sei, sondern hier werden die Erzählungen anders behandelt: Die Menschen in der Erzählung haben keine Geschichten. Sie selbst sind die Geschichte. Diese Erzählungen sind das Ritual jeder ihrer Bewegungen, ihrer Gestik und ihrer graziösen Traurigkeit. Sie werden im literarischen Gedächtnis der Sprache eingefangen und unsterblich gemacht.

Es ist sehr schwer, das Genre dieser traurigen Erzählungen zu definieren. Hier gibt es keine Flucht oder psychologische Kämpfe. Viel mehr sind es Geschichten des Gehorsams gegenüber der Freiheit. Sie sind wie eine riesige Meuterei wegen der Missverständnisse, die manchmal im Schicksal der Menschen auftauchen und zum Kampf gegen die intakte Lage der Gerechtigkeit, Schönheit und Güte auffordern. Hier beginnt die dramatische Geschichte des Ungehorsams gegenüber der Freiheit: In der Gefängniszelle der Zeit bleibt die Liebe stets außerhalb. Das zwingt uns dazu, nicht zu kämpfen, sondern den inneren Gesetzen der Freiheit zu gehorchen, die vom Glauben begleitet werden, dass die Zeit eh von allein vorüber gehen wird, die Zeit eh den Raum verlassen wird, in den sie nicht reingehört. D