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Neuerscheinungen 2017

Stand: 2020-02-01
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Jutta Schubert

Zu blau der Himmel im Februar


Roman über Alexander Schmorell und die Weiße Rose
2., überarb. Aufl. 2017. 168 S. 205 mm
Verlag/Jahr: DIELMANN 2017
ISBN: 3-86638-226-X (386638226X)
Neue ISBN: 978-3-86638-226-8 (9783866382268)

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Der Roman um den Widerstandskämpfer Alexander Schmorell, der gemeinsam mit Hans Scholl ab Juni 1942 die Flugblätter der Weißen Rose gegen das Naziregime verfasste, erscheint hier in überarbeiteter zweiter Auflage.
Das Buch schildert aus der Perspektive verschiedener beteiligter Personen den letzten Tag Schmorells in Freiheit. Seit der Verhaftung der Geschwister Scholl nach einer spektakulären Flugblattaktion in der Münchner Universität in Februar 1943 befindet sich Schmorell auf einer verzweifelten Flucht. Tags zuvor sind Hans und Sophie Scholl zum Tode verurteilt und hingerichtet worden, doch davon weiß er nichts. Seine aussichtslose Flucht führt ihn zuletzt nach München zurück, wo sein Fahnungsplakat an den Mauern klebt. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis er verraten wird.
Die Geschichte eines jungen Mannes, ohne den es die Weiße Rose nie gegeben hätte. Am 13. Juli 1943 wurde Alexander Schmorell zusammen mit dem Philosophieprofessor Kurt Huber hingerichtet.
Anfang
Im Zug von München nach Klais beginne ich mit den Aufzeichnungen. Es ist Februar. Föhnwetter, blauer Himmel, fünfzehn Grad, eine milde Sonne. Hier fuhr er entlang.
An der Bahnstrecke sitzen die Leute in ihren Gärten in Liegestühlen, als sei schon Mai.
Was hat er vom Zugfenster aus gesehen? Falls er überhaupt etwas sah, und nicht die Todesangst seine Wahrnehmung trübte.
Die Bäume - viele sind älter als siebzig Jahre - also muss er sie gesehen haben. Zu welcher Tageszeit sah er sie? Wie lange brauchte der Zug damals? Nichts ist sicher. Nichts wird man mehr genau wissen können, niemals mehr.
Bei geschlossenen Augen zeichnet die Sonne groteske Re flexe aus Licht und Schatten auf die Lider. Ein Flirren.
Er hatte sicherlich die Augen offen. Er wird nicht gewagt haben, sie auch nur für einen Moment zu schließen.
Die wenigen, die ich noch fragen konnte, bestätigten, dass das Wetter genauso war. Ein strahlender Vorfrühling, der den Beteiligten grotesk und grausam erschien, eine Voran kündigung nahen Lebens, des Wiedererwachens der Natur und mitten darin ein sinnloses Sterben, wie zufälliger Tod.
Der Zug passiert Starnberg. Links liegt der See. Das Strand café ist um diese Jahreszeit noch geschlossen, eine auf spätere Tagestouristen und sonnenhungrige Urlauber wartende Idyl le. Nach etwa einer halben Stunde Fahrt er reicht der Zug Tutzing.
Bestimmt hatte er Angst vor Kontrollen, war er nervös, konnte kaum erwarten, dass der Zug endlich weiter fuhr. Vielleicht bereute er flüchtig, seine Uniform verbrannt zu haben. Sah den Moment wieder vor sich und Lilos schreckgeweitete Augen, als sie sagte: "Damit schneidest du dir jeden Rückweg ab."
"Es gibt keinen Rückweg", hatte er ihr geantwortet, aber in dem Augenblick, als er das sagte, glaubte er wahrscheinlich selbst noch nicht so bedingungslos daran. Erst später, jetzt vielleicht, hier.
Es ist angenehm, in der Sonne am Fenster zu sitzen. Eine Schulklasse, die sich wohl auf einem Ausflug befindet, steigt in Tutzing aus. Es wird augenblicklich spürbar stiller im Ab teil. Die Fahrt geht durchs Alpenvorland. Grauer Misch wald, Schneereste in den Senken. Dazwischen trockene Hoch ebe nen, bleiches Gras. Links ein kleiner See, auf dem noch Eis schwimmt, ein Schwan am Ufer. Zwiebeltürme. Weil heim. Zugefrorene Tümpel. Am Bahnhofsgebäude ein ros tiges Schild mit der Ortsaufschrift. Hing es damals schon? Hinter Weilheim tut sich links der Blick in die Berge auf, eine blass blaue Silhouette, sich scheinbar entfernend.
Endlich, muss er gedacht haben. Hinter diesen Bergen er hoffte er sich die Rettung.
Auch zur Rechten sieht er jetzt Bergketten. Die Gipfel im Schnee. Langsam, aber stetig, fährt er auf die Berge zu. Eine Melodie schießt ihm durch den Kopf, er denkt flüchtig an Tschaikowskys Symphonien, er sieht das Klavier, die Balalaika, seine Zeichnungen ... und es durchzuckt ihn ein Schmerz wegen der Dinge, die er zurücklassen musste und jetzt schon vermisst, die er künftig immer vermissen wird. Einst, in einem anderen Leben, haben sie zu ihm gehört, einem Leben, aus dem er gerade verzweifelt hinaus fährt, mit unbekanntem Ziel. Und Hans ... - er bricht den Gedanken ab.
Hinter Uffing matschige Feldwege, Traktorspuren im Schlamm, rechts der Staffelsee, dahinter nah, viel näher schon, die Kulisse der Berge, Sonnenlicht in den Schneehängen, ein per fek tes Modell für romantische Ölbilder, im Vordergrund Maul wurfshügel in den Wiesen, immer sehen sie ein bisschen wie frische Gräber aus. Könnte man sich doch unter der Erde verstecken! Bei Murnau schimmert der See weißlich vom Eis. Starres Wasser. Die Ohren dröhnen von der Stille.
Er kann sich nicht satt sehen. Wie herrlich das Land ist. Diese Landschaft wird bleiben. Bleiben. Alles überstehen. Rechts rücken die Berge zum Greifen nahe. Ununterscheidbare Gip fel. Es geht ihm nicht schnell genug. Fahr, fahr. Ein Bachlauf in den Wiesen. Alles fließt von München fort. Fort. Pferde. Höfe.