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Stand: 2020-02-01
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Rolf Breuer

Lange Schatten


Erzählung
2017. 56 S. 164 mm
Verlag/Jahr: IGEL VERLAG LITERATUR & WISSENSCHAFT 2017
ISBN: 3-86815-722-0 (3868157220)
Neue ISBN: 978-3-86815-722-2 (9783868157222)

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Nach dem - verdächtigen? - Tod seines Vaters findet Robert Mantell beim Testamentsvollstrecker ein Manuskript. Eine auf Harold Mantell angesetzte schöne Verführerin hatte vor vielen Jahren versucht, am Ende des Krieges aus Wien geschmuggelten Papieren auf die Spur zu kommen. Sind für seinen Unfalltod die seinerzeitigen Verfolger verantwortlich?
In den vier Berichten verschiedener Mitglieder der Familie, aus denen der Politkrimi besteht, geht es um die Gegenwart der Vergangenheit.
Textprobe:
I Robert, Februar 2016:
Vor einigen Wochen, Anfang Dezember 2015, starb mein Vater. Da meine Mutter bereits ein Jahr zuvor verstorben war, saß ich kürzlich bei der Testamentseröffnung - allein, es gibt keine Geschwister - vor Rechtsanwalt und Notar Dr. Rohmann in der Freiherr-von-Stein-Straße. Zu meiner Überraschung fand sich unter den Nachlaßpapieren ein Konvolut von 30 Schreibmaschinenseiten in einem versiegelten Großkuvert, auf dessen Vorderseite ein Blatt aufgeklebt war: "Der Polizei übergeben im Falle eines verdächtigen Todes. H. M. 13/3/76." H. M., das war mein Vater Harold Mantell. Der Notar war nicht minder überrascht. Er hatte die Kanzlei erst kürzlich von Dr. Liebelt übernommen, und bei der Testamentseröffnung nach dem Tod meiner Mutter war mein Vater die Unterlagen noch mit diesem alten Freund der Familie durchgegangen.
Natürlich las ich den Bericht sofort, als ich nach Hause kam, und mit einiger Erregung insofern, als mein Vater tödlich verunglückt war. Die Zugehfrau hatte ihn morgens tot im Schwimmbecken gefunden, dessen Wasser die Eltern im Winter stets abließen. Offenbar war er beim Gang durch den Garten auf der vereisten Steinumfassung des Pools ausgerutscht. Damals zog man Fremdeinwirkung nicht in Betracht, aber auch dann, als ich den folgenden Bericht der Staatsanwaltschaft übergab, sah man keinen ernstzunehmenden Grund, der Sache nachzugehen. Schließlich lagen die ursprünglichen Ereignisse, von denen der Bericht handelt, 70 Jahre zurück und die aus der Zeit der Niederschrift schon 40 Jahre. Dabei fällt mir ein, daß mein Vater Anfang 1976 genau so alt war, wie ich es jetzt bin. Was mag das Leben noch für einen bereithalten?
Wie auch immer: Jetzt war die Sache sozusagen öffentlich, und da meine Mutter und ihr Andenken nicht tangiert sind, gibt es keinen Grund, den Bericht zu unterdrücken. Ob sie ihn kannte, weiß ich nicht. Wenn meine Kinder dies einst lesen werden, wird ihre Erinnerung an den Großvater längst verblaßt sein. Insofern ist dies auch ein Dienst an seinem Andenken. Ich jedenfalls lernte meinen Vater durch den Bericht neu kennen, denn er sprach selten über die Jahre zwischen dem Verlassen des Elternhauses und der Eheschließung. Gut allerdings, daß ich das erst jetzt las, nach seinem Tod, denn so genau hätte ich manches gar nicht wissen wollen, während er vor mir auf dem Sessel sitzt oder mit den Kindern spielt.
Breuer, Rolf
Rolf Breuer, Literaturwissenschaftler und Hochschullehrer, veröffentlicht neben Fachbüchern seit vielen Jahren auch literarische Texte. Zuletzt erschien im Igel Verlag der Roman "Freisemester" (2016).