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Birgit Meitrodt, Menawar Youssef-Safar (Beteiligte)

Das Licht scheint überall


Menawar - Die Geschichte einer syrischen Christin
2017. 224 S. 16 seitiger Bildteil farbig. 18.7 cm
Verlag/Jahr: FRANCKE-BUCHHANDLUNG 2017
ISBN: 3-86827-673-4 (3868276734)
Neue ISBN: 978-3-86827-673-2 (9783868276732)

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Die Christin Menawar nimmt uns mit hinein in das faszinierende Syrien ihrer Kindheit. Wir tauchen ein in das idyllische Dorfleben im Nordosten des Landes, lernen uralte christliche Bräuche kennen und die Träume einer jungen Frau. Doch als die jungverheiratete Mutter mit ihrem Mann vor Repressalien nach Deutschland fliehen muss, scheinen diese zunächst zerstört.
Die Familie tut sich schwer im Deutschland der 1980er-Jahre. Kommunikationsprobleme und Missverständnisse behindern das Einleben. Doch als Menawar und ihre Familie eine christliche Gemeinde kennenlernen, die sie mit offenen Armen aufnimmt, wendet sich das Blatt. Menawars Glaube und die neuen Freunde helfen ihr, sich zu integrieren. Und sie wird selbst zur "Integrationshelferin" für Menschen, die aus Syrien flüchten müssen - bis in die jüngste Zeit.
Kapitel 1
Vom Schnee zum Licht
Meine Geschichte beginnt im Januar 1964 in dem kleinen Dorf Bab al-Hadid im Nordosten Syriens. Bei Syrien denkt man zunächst an brennend heiße Wüstensonne und nicht an Schneestürme und Eiseskälte. Doch in diesem Januar zeigte sich der Winter von seiner kältesten Seite, so, wie er in dieser Region nur selten vorkommt. Tagelang hatte es geschneit und inzwischen lag der Schnee über einen halben Meter hoch. Es gab kaum noch ein Durchkommen. Schneeräumfahrzeuge gab es keine. Die Menschen versuchten, die Wege mit Schaufeln passierbar zu halten und die Eingänge zu ihren Häusern frei zu machen, damit man überhaupt die Türen öffnen konnte.
Abends saß meine Familie wie jeden Tag in dem von einer Petroleumlampe erleuchteten Zimmer, in dem ein Ofen seine wohlige Wärme verbreitete. Dies war jedoch kein Abend wie jeder andere. Alle waren sehr aufgeregt. Mein Vater rannte immer wieder zum Fenster und schaute in die Dunkelheit hinaus. Doch außer Schneeflocken, die immer noch vom Himmel fielen, konnte er nichts entdecken. Inzwischen war es schon Mitternacht, doch von der erwarteten Person fehlte immer noch jede Spur. Da rief meine Mutter auf einmal: "Jetzt ist es so weit. Das Kind kommt! Wir können nicht länger auf die Hebamme warten. Wir müssen es alleine schaffen." Unter den Anweisungen meiner Mutter packten alle mit an und ich kam auf die Welt, noch bevor die Hebamme sich ihren Weg durch das verschneite Dorf gebahnt hatte. Was für eine turbulente Geburt, doch das sollte noch nicht alles sein. "Ein kleines Mädchen!", freuten sich alle. "Wir wollen sie Berfe nennen", sagte mein Vater "weil sie in dieser schneereichen Nacht geboren wurde." (Berfe kommt aus dem Kurdischen und heißt "Schnee".)
Die Freude meines Vaters über meine Geburt war nicht selbstverständlich, denn in muslimisch geprägten Ländern hält sich die Freude über ein Mädchen im Allgemeinen in Grenzen. Alle warten eigentlich auf einen Jungen, dessen Geburt dann stolz verkündet wird. Doch bei meinen Eltern war das zum Glück anders. Mein Vater erzählte überall voller Stolz, dass ihm eine Tochter geboren wurde.
Schon bald hatte sich die Nachricht meiner Geburt im ganzen Dorf verbreitet. Da Geburten in der arabischen Kultur immer auch ein Ereignis der sozialen Zusammenkunft darstellen (und nicht, wie in Europa üblich, in der Abgeschiedenheit eines Krankenhauszimmers stattfinden), fanden sich immer mehr Dorfbewohner im Haus meiner Eltern ein, um ihnen zu gratulieren. Alle Freunde und Bekannten und vor allem die Kinder kamen vorbei. Das war ein Riesentrubel. Den ganzen Tag über gaben sich die Besucher die Klinke in die Hand und auch am nächsten Tag war es nicht anders. Für die Kinder war es ein riesiger Spaß, denn es gab viele Süßigkeiten. Sie aßen so lange, bis die Erwachsenen mahnten, dass es genug sei. Mein Vater hatte säckeweise die besten Bonbons eingekauft und verblüffte damit alle Besucher. Es war doch "nur" ein Mädchen geboren worden. Für meinen Vater waren jedoch alle seine Kinder gleich wichtig. Um dieses nach außen ganz deutlich zu machen, bevorzugte er sogar uns Mädchen. Das hat sich auch auf unser späteres Leben ausgewirkt und mein Vater hat sein Verhalten nie bereuen müssen. Es waren nicht in erster Linie die Jungen der Familie, die auf ihn gehört haben und auf die er sich verlassen konnte, sondern wir Mädchen waren seine rechte Hand und unterstützten ihn, wo wir nur konnten.
Für meine Mutter waren diese ersten Tage nach der Geburt sehr anstrengend. Gerade erst hatte sie ein Kind zur Welt gebracht und schon war das ganze Haus voller Besucher, die sie versorgen musste. Und so saß sie am Abend müde auf einer Matratze, die am Boden lag und als Sitzgelegenheit diente. Sie hatte mich auf dem Arm sanft in den Schlaft gewiegt und war dabei selbst eingeschlafen. Mein damals drei Jahre alter Bruder sah nun seine Chance gekommen, sich noch einmal mit Bonbons zu versorgen, ohne dass Mama das mit