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Friedrich Hahn
halsüberkopf
99 Mikroromane und ein Fotoessay
2017. 140 S. Fotocollagen aus missliebigen Schnapschüssen. 280 mm
Verlag/Jahr: VERLAGSHAUS HERNALS 2017
ISBN: 3-902975-47-4 (3902975474)
Neue ISBN: 978-3-902975-47-8 (9783902975478)
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Hahns Mikroromane sind Streiflichter, Blitzlichter auf Biografien. Momentaufnahmen
von Einzelschicksalen. Hier blickt Hahn in einen Abgrund,
da tut sich ein neuer Horizont auf. Mal fabuliert Hahn im spielerischen
Überschwang. Mal münden übergenaue Beobachtungen in geheimnisvolle
Andeutungen. In Hahns Mikroromanen steckt oft ein ganzes Leben.
Und manchmal ist es nur ein Augenblick. Ein Augenblick, der zu einer
unerwarteten Wendung führt. Oder das Festgefahrene, das Aussichtlose
einer Lebenssituation zeigt. Aber immer geht es um Möglichkeiten. Um die
Möglichkeit, sein eigenes Leben zu bestimmen. In die eigenen Hände
zu
nehmen. Den entscheidenden Augenblick zu erkennen. Und zu nützen.
Hahns Mikroromane schöpfen aus dem prallen Leben. Zeigen das Große
im Kleinen. Und das Kleine im Großen. Da ist der Heimlichtuer, der alles
tut, um zu vermeiden, dass sein Leben zu einfach wird. Da ist eine gewisse
Gerhild, die am Weg in die Geisteskrankheit die schäbigsten Wörter so
aussprechen kann, als gehörten sie zu einer Festrede. Da begegnen sich
Überdrüssige, Unbeholfene, Überrumpelte, oder Unentwegte, um sich in
Minidialogen ihrer Wünsche und Fantasien zu vergewissern, die sie dann
schlussendlich doch immer nur wieder auf die schiefe Bahn der Realität
bringen.
Hahns Mikroromane sind Literatur für Leute, die bislang gar nicht wussten,
dass sie Literatur mögen.
Komplettiert hat Hahn seine 99 Mikroromane mit dem Fotoessay "Anonyme
Fotografie". Papierbilder aus dem Müll. Hahn hat sie gesammelt. Retouren.
Fossile aus dem Zeitalter der analogen Hobbyknipserei. Tausende
und
abertausende missliebige Schnappschüsse: unscharfe Motive,
angeschnittene
Köpfe, Doppelbelichtungen und andere Hoppalas. Das Ergebnis:
Ein Kompendium anonymer Fotografie. Gebrauchsfotografie abseits von
künstlerischen Ansprüchen. Kunst ohne KünstlerInnen.
Barbara sammelt Erstausgaben. Also keine Bücher.
Sondern Gefühle. Barbara versucht sich zu erinnern,
steigerte sich in eine regelrechte Erinnerungswut. Das
erste Mal. Das erste Mal zum Beispiel Verlassensangst
gespürt. Damals in der Zimmer-Küche-Hausbesorger-
Wohnung. Sie weiß es noch, als wäre es erst heute vor
wenigen Augenblicken gewesen. Sie war aufgewacht.
Und die Mutter weg. Panik. Barbara, sie wurde damals
so mit 3-4 Jahren Bärbel genannt, Bärbel büchste aus.
Zwängte sich durch das vergitterte Küchenfenster. Kein
Mensch konnte sich vorstellen, dass da ein Kleinkind
durch die engen Gitterstäbe passte. Bärbel lief im Pyjama
auf die Straße und ins nächst Geschäft, zur Milchfrau.
Da hat sie ihre Mutter, die ihrerseits in Panik geraten
war, sie hatte nur einen Sprung nach der Wäsche in der
Waschküche geschaut, dann zum guten Ende aufgelesen.
Unlängst verschlug es Bärbel die Ohren. Da war es
dann wieder dieses Gefühl, dieses Eingesperrtsein. Ihre
Stimme als Gefangene ihres Schädels. Und kein Ausweg.
Wieder diese Panik. Zwar eine Replik, aber gewiss nahe
am Originalfühlen damals, da war sich Bärbelbarbara
sicher.
friedrich hahn waldviertler des jahrgangs 52, schreibt und veröffentlicht seit 1969 lebt als freischwebender sprachwerker und medienkünstler in wien 30 bücher mit lyrik, prosa, u.a. unterm strich - bilder zum lesen . texte zum schauen, verlagshaus hernals sowie arbeiten für den rundfunk (17 hörspiele) und für die bühne (zuletzt "im rücken des schattens", die rampe, Stuttgart 2004); Ausstellungen (u.a. Museum Moderner Kunst/Wien), Performances (u.a. Centre Gorge Pompidou/Paris), Kataloge (remakes, die idylle der druckerschwärze, etc.) members.chello.at/friedrich.hahn