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Neuerscheinungen 2017

Stand: 2020-02-01
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Tibor Noé Kiss, Eva Zador (Beteiligte)

Stumme Wiesen


Übersetzung: Zador, Eva
2017. 180 S. 211 mm
Verlag/Jahr: NISCHENVERLAG 2017
ISBN: 3-9503906-5-0 (3950390650)
Neue ISBN: 978-3-9503906-5-0 (9783950390650)

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Der Roman Stumme Wiesen von Tibor Noé Kiss ist keine leichte Lektüre.

Beschrieben wird eine reglose, düstere Welt ohne jegliche Aussicht oder Hoffnung, der Alltag einer Siedlung in der ungarischen Tiefebene, wo die Bewohner, die Gestalten des verlassenen Schlosses, der schäbigen Häuser, des Ladens und des einstigen Altersheims, nur deshalb bleiben, weil sie dort geboren wurden und keine Perspektive haben. Die Autorin nähert sich den Menschen, den Verlassenen und Ausgestoßenen, mit einem hohen Maß an Sensibilität, sie schafft starke Charaktere, die uns die Tragödie ihres verpfuschten Lebens verstehen lassen. Der fast soziografische Roman von einer Atmosphäre, die einem die Luft zum Atmen nimmt, ist ein Roman der Erkenntnis. Beim Lesen stellt sich uns die Frage, warum wir meinen, anders oder besser als die Figuren des Romans zu leben.

Ein Buch, das den Leser nicht zur Ruhe kommen lässt.
Die unter den Bäumen faulenden, aneinander klebenden Blätter flehten nach einem Orkan, vielleicht würde er sie endlich voneinander losreißen. Der Wind wirbelte, fächelte, streichelte, weiter, ganz nach seiner Laune. Die Blätter stiegen auf in die Luft. Alles begann von vorn.

Streunende Hunde schnüffelten im Staub. Sie wedelten mit den Schwänzen, gingen aufeinander los, winselten, rauften. Aber sie fanden nichts. Sie rannten zum Wasserturm, dann wieder zurück. Legten sich neben den Stall. Zu den Fliegen, in die Urinlachen. Der Güllegeruch zog sie an, sie warteten auf die Rinder, vielleicht würden sie einmal zurückkommen. Die Ställe standen leer. Der Schimmel überwucherte sie, die Stützbalken waren von Holzwürmern zerfressen. Zerfielen allmählich zu Staub, bis sie einmal nicht mehr wären. Auf der Koppel stapften die Pferde, Graurinder spitzten die Ohren. Die Hunde rannten neben der Koppel auf und ab, kläfften. Nicht einmal zufällig berührten sie den Zaun. Sie hatten ihre Lektion gelernt. Auch die Katzen trauten sich nicht aus den Gärten. Wenn es ihnen gelang, vor den Hunden zu fliehen, dann erhängten sie die Kinder an den Bäumen.

Der Hof des verlassenen Hauses liegt im Dämmerlicht. Der Keller des Hauses ist stickig. Die Kanten der Stufen bröckeln. Dort, wohin sie führen, gibt es kein Licht. Eine zusammengefaltete Bettdecke. Unter der Decke kratzt eine Maus. Der Spiegel ist voller Fingerabdrücke. Fünf kleine Fingerkuppen. Der runde Abdruck des Lippenstiftes auf dem Kunststoffregal. Um ihn herum Staub. Aus Zellophan zusammengeknüllte Kügelchen. Zerrissenes Schokoladenpapier. Ein Plüschtier, ein gepunktetes Hündchen. An der Schulter hängen die Innereien heraus, watteartiger, weißer Kunststoff. Ein rosa Höschen auf dem Boden. Auf dem Höschen schlafen Bären, Hasen und Rehe. Das Höschen ist aus dem Rucksack gefallen. Sie holt es nicht mehr.
Kiss, Tibor Noé
Tibor Noé Kiss (1976) ist Schriftstellerin, Journalistin, Redakteurin bei einer Literaturzeitschrift und lebt in Pécs. Nach dem Studium der Soziologie absolvierte sie eine Journalistenschule. Sie organisierte unter anderem kulturelle Veranstaltungsreihen, führte Meinungsumfragen durch, jobbte als Zeitungsausträgerin und Fußballtrainerin für Jugendliche aus sozial schwachen Familien. Ihr erster Roman "Inkognito", ihr Bekenntnis zu ihrer Transsexualität, erschien 2010. "Stumme Wiesen" ist ihr zweiter Roman.