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Neuerscheinungen 2017

Stand: 2020-02-01
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Matthias Siekiera

Rechtfertigungsgründe im Strafrecht: Nothilfe, Notwehr und ihre Grenzen


2017. 72 S. 220 mm
Verlag/Jahr: IGEL VERLAG RWS 2017
ISBN: 3-9548535-8-2 (3954853582)
Neue ISBN: 978-3-9548535-8-8 (9783954853588)

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Die Nothilfe, d.h. die notwendige Verteidigung, die ein Dritter zu Gunsten des Angegriffenen ausübt, ist eine Sonderform der Notwehr und wirft die Frage auf, wann bzw. ab wann es strafrechtlich legal ist, einem angegriffenen Menschen Hilfe zu leisten. Wie stellt sich die Lage dar, wenn der Angegriffene gar nicht verteidigt werden möchte? Und wie verhält sich die private Gefahrenabwehr in Konkurrenz zur Gefahrenabwehr durch den Staat?
Die vorliegende Studie bemüht sich, einen Überblick über die aktuelle Rechtslage zur Nothilfe zu liefern und damit verbundene Problematiken aufzuzeigen.
Textprobe:
2, Kapitel: Die Notwehr:
2.1, Gesetzliche Grundlage:
Notwehr ist in
3 StGB geregelt.
3 Abs 1 StGB regelt die Voraussetzungen. Demnach handelt jemand in Notwehr und nicht rechtswidrig, wer bei einem gegenwärtigen oder unmittelbar drohenden, rechtswidrigen Angriff auf Leben, Gesundheit, körperliche Unversehrtheit, Freiheit oder Vermögen sich gegenüber dem Angreifer der Verteidigung bedient, die notwendig ist, um diesen Angriff von sich oder einem anderen (Nothilfe, Kapitel 3) abzuwehren. Die Handlung ist nicht gerechtfertigt, wenn es offensichtlich ist, dass dem Angegriffenen bloß ein geringer Nachteil droht und die Verteidigung unangemessen ist.
3 Abs 2 StGB regelt die Rechtsfolgen der Notwehrüberschreitung (näheres siehe 2.3.4.2.).
2.2, Struktur und Merkmale:
"Die drei Strukturelemente der Notwehr sind Notwehrsituation, Notwehrhandlung und subjektives Rechtfertigungselement:"
2.2.1, Notwehrsituation:
Die Notwehrsituation erfordert das Vorliegen eines gegenwärtigen oder unmittelbar drohenden, rechtswidrigen Angriffs auf ein notwehrfähiges Rechtsgut.
2.2.1.1, Angriff:
Angriff ist jenes menschliche Verhalten, welches die Beeinträchtigung von Rechtsgütern befürchten lässt. Eine ex post Beurteilung des Verhaltens ob ein Angriff gegeben ist, ist nicht heranzuziehen, da sie bei der Notwehr schlicht unmöglich ist. Ob ein Angriff iSd Notwehr vorliegt, ist demnach bei der Notwehr ex ante zu beurteilen, dh man hat sich auf den Zeitpunkt der Handlungsvornahme zu beziehen. Diese ex ante-Beurteilung ist objektiv und nicht aus der Perspektive des Angegriffenen vorzunehmen. Es sind daher alle Umstände zu berücksichtigen, die im Zeitpunkt des Geschehens vorlagen, auch wenn sie erst nachträglich bekannt wurden. Wenn jemand irrtümlich eine Notwehrsituation annimmt, ist diese Verteidigungshandlung nach
8 StGB (Irrtum über einen rechtfertigenden Sachverhalt) zu beurteilen.
2.2.1.1.1, Angriff als menschliches Verhalten:

3 Abs 1 StGB erlaubt die Verteidigung eines rechtswidrigen Angriffs. Da Tiere nicht rechtswidrig handeln können, darf nur menschliches Verhalten nach
3 StGB abgewehrt werden. Kadecka betrachtet die Rechtswidrigkeit rein objektiv und schreibt daher: "Rechtswidrigkeit ist ... jedes Verhalten, das die von der Rechtsordnung gewollte Güter und Machtverteilung stört... Das kann auch durch eine von Tieren ausgehende Schädigung von Rechtsgütern geschehen." Anders ist es aber, wenn ein Mensch sich eines Tieres zu einem Angriff bedient, indem er zB einen abgerichteten Hund auf einen Menschen hetzt. Hier ist der Hund Waffe des Menschen und es liegt zweifelsfrei ein rechtswidriger Angriff des Aufhetzenden vor. Juristische Personen kommen als Angreifer nicht in Betracht, weil sie nicht handlungsfähig sind. Juristische Personen handeln durch ihre Organe. Daher kann man nicht gegen einen Verein, GmbH, AG oder Staat Notwehr ausüben. Wenn eine personale Zurechnung des menschlichen Verhaltens nicht möglich ist, liegt auch kein Angriff vor. Bloße Körperreflexe, Bewegungen im Zustand der Bewusstlosigkeit, epileptische Krampfanfälle, etc begründen von vornherein keine Notwehrsituation. In diesen Fällen wird eine Rücksichtnahmepflicht geboten sein. Weiß der Angegriffene hingegen nichts vom körperlichen Zustand des Angreifers, ist Putativnotwehr gegeben. Bewegungen im Einfluss von vis absoluta gehören hier ebenfalls dazu, weil der betreffende Mensch nicht einmal im Reflex, sondern vielmehr von einer anderen Person zu einem Verhalten gezwungen wird.
2.2.1.1.2, Unterlassen als Angriff:
Die Frage, ob eine unechte Unterlassung eine Notwehrsituation begründen kann, ist umstritten. Ein Teil der Lehre verlangt für einen Angriff ein aktives Tun. Andere Lehrmeinungen bejahen auch in einem bloßen Unterlassen einen Angriff iSd
3 StGB, weil man ja auch durch Unterlassen jemanden töten oder verletzen kann. Lässt daher zB eine Mutter ihr Kind verhungern, ist derjenige durch Nothilfe gerechtfertigt