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Sandra Linden

Exkurse im höfischen Roman


2017. 632 S. 23 cm
Verlag/Jahr: REICHERT 2017
ISBN: 3-9549023-3-8 (3954902338)
Neue ISBN: 978-3-9549023-3-0 (9783954902330)

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Nimmt man den Begriff Exkurs wörtlich, so handelt es sich um ein Abweichen vom regulären Gang der Erzählung, und tatsächlich ist der Exkurs zentral durch seine Differenzqualität bestimmt: Er setzt im höfischen Roman die Ordnung des Erzählens aus und lässt den Erzähler eine alternative Sprechhaltung annehmen, in der er sich mit verschiedenen Themen meist direkt an sein Publikum wendet. Im Laufe der Gattungsgeschichte des höfischen Romans prägen sich inhaltliche Konventionen und Stilmerkmale des Exkurses aus, die die vorliegende Studie über exemplarische Analysen von den Romanen Hartmanns von Aue bis zu Minne- und Aventiureromanen um 1300 herauspräpariert und zu einer Poetik des Exkurses verdichtet. Es zeigt sich, dass der Exkurs in einem artistisch kompetenten höfischen Erzählen ein zentrales Register darstellt, das den Roman zur Reflexion hin öffnet. Die Studie richtet sich zunächst an ein mediävistisches Fachpublikum, bedient aber auch ein breiteres Interesse an der Entwicklung des volkssprachigen Romans und seiner Erzählerfigur.
Ein Exkurs ist, wenn man den Begriff wörtlich nimmt, eine Abschweifung, ein Abweichen vom regulären Cursus der Erzählung. Im Exkurs nimmt der Erzähler eine alternative Sprechhaltung an, in der er - meist in direkter Ansprache an sein Publikum - über Themen reflektiert, die von der Erzählung angeregt werden. Als eine generische Transgression, als ein Überschreiten des romanhaften Erzählens hin zur alternativen Aussageform der Reflexion ist der Exkurs in jedem - auch außerliterarischen - narrativen Sprechen mit einer ausgewiesenen Erzählerposition angelegt. Im volkssprachigen Roman des Mittelalters ist der Exkurs seit seiner anfänglichen Verwendung bei Chrétien de Troyes ein zentrales Mittel der erzählerischen Gestaltung und trägt als Transgression des Narrativen in die Reflexion elementar zur literarischen Sinnbildung bei. Im Modus des Wiedererzählens wird der Exkurs zunächst als regelpoetisches Verfahren einer dilatatio materiae der französischen Vorlage eingesetzt, entwickelt sich aber schnell zu einer elaborierten Darstellungsform. Vor allem im deutschsprachigen Raum wird der Exkurs seit Hartmann von Aue zu einer literarische Mode, die von den hochhöfischen Autoren um 1200 anregungsreich fortgeschrieben wird und sich um 1300 schließlich einem experimentierenden Umgang öffnet, als die Gattung des höfischen Versromans mit den Minne- und Aventiureromanen noch einmal aufblüht, um dann zu enden. Während die Forschung die Exkurse bislang ausschließlich in Einzelwerkinterpretationen analysiert hat, nimmt diese Studie in einer Typologie der Exkurse eine das Einzelwerk übersteigende Perspektive ein. Sie weist den Exkurs in der Zusammenschau mehrerer Romane, die über drei Zeitschnitte organisiert sind, als eigenes literarisches Register aus und versucht, ihn in seinem Funktionieren und seiner diskursiven Qualität herauszustellen.
Die Exkurse etablieren als Inseln der Reflexion ein vertieftes Nachdenken über die erzählte Handlung und werden gezielt als Modus eines reflektierenden Sprechens, als ein spezifischer Habitus des Erzählers eingesetzt. Im Laufe der Gattungsgeschichte des höfischen Romans prägen sich inhaltliche Konventionen und Stilmerkmale des Exkurses aus, die die vorliegende Studie exemplarisch analysiert und zu einer Poetik des Exkurses im höfischen Roman verdichtet. Es zeigt sich, dass der Exkurs in einem artistisch kompetenten höfischen Erzählen ein zentrales Register darstellt, das eine eigene literarische Tradition entwickelt und den höfischen Roman zur Reflexion öffnet.