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Neuerscheinungen 2017

Stand: 2020-02-01
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Béla Borsi-Kálmán, Nelu Bradean-Ebinger, Juhani Laurinkari, Bálint Simon, Zoltan Tefner (Beteiligte)

Kleine Völker im großen Nest. Fallstudien über Finnland, Ungarn und die Europäische Union


Herausgegeben von Laurinkari, Juhani; Bradean-Ebinger, Nelu; Mitarbeit: Tefner, Zoltan; Simon, Bálint; Borsi-Kálmán, Béla
2017. 164 S. 12 Abb. 220 mm
Verlag/Jahr: DISSERTA 2017
ISBN: 3-9593541-0-X (395935410X)
Neue ISBN: 978-3-9593541-0-3 (9783959354103)

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Der vorliegende Sammelband nimmt mit Finnland und Ungarn zwei kleine Länder innerhalb der europäischen Union in den Fokus, die von den großen europäischen Staaten wie Deutschland, Frankreich oder England oftmals eher als "Nebensache" gesehen werden. Die Texte von ungarischen und finnischen Wissenschaftlern zeigen, wie sich kleine Völkergemeinschaften in dem "großen Nest" der Europäischen Union durchsetzen können. Dabei wurde bewusst eine heterogene Sammlung von Texten in den vorliegenden Band aufgenommen, da dies die Vielseitigkeit und Unterschiedlichkeit Europas aufzeigt.
Textprobe:
VERGLEICH DES FINNISCHEN UND DES UNGARISCHEN MODELLS DER SOZIALPOLITIK MIT HISTORISCHEN BEZÜGEN AB 1867:
Zum Vergleich des finnischen und des ungarischen Sozialsystems bieten sich mehrere methodologische Mittel und Herangehensweisen an. Sie richten sich danach, ob man sich in der Forschung und Darstellung nur auf die jeweils konkreten, gegenwartsbezogenen Fragen konzentriert oder ob man sich ein viel differenzierteres Bild von den Unterschieden beider Sozialwirtschaften machen will. Kurz und bündig: unter anderem nach Göran Therborn, dem schwedischen Soziologen, sei es richtig, dass man bei der Untersuchung der sozialen Aktivität eines Staates von der historischen Gestaltung der sozialen Rahmenbedingungen in dem untersuchten Land ausgeht.
Historische Rahmenbedingungen:
Die historischen Rahmenbedingungen Finnlands sind gerade die Faktoren, in denen sich das Land wesentlich von Ungarn unterscheidet. Daraus folgt die unterschiedliche Schwerpunktbildung der Sozialpolitik. Zweitens können wir der geographischen sowie der geopolitischen Verschiebung des kontinentalen Zentrums eine große Bedeutung beimessen. Wir wissen wohl, dass die historischen und die geographischen Unterschiede eine untrennbare Einheit bilden und dass sie einander zu jeder Zeit gegenseitig bestimmen. Es reicht vielleicht diesbezüglich, wenn wir nur auf die theoretischen Ansätze des französischen Historikers Fernand Braudel hinweisen: Die geographische Umgebung, das Klima, die Demographie, der Verkehr und die Kommunikation beeinflussten die Menschheitsgeschichte in hohem Maße.
Finnische Anfänge:
Finnland existierte in den Jahrhunderten des europäischen Mittelalters nicht als selbständiges Staatsgebilde, wohingegen Ungarn bis zur Türkenzeit als eines der mächtigsten Königreiche Europas galt. Es besteht gleichzeitig kein Zweifel darüber, dass diese Eigenstaatlichkeit nach der türkischen Eroberung 1541 stark reduziert wurde, als die ganze Landesmitte, einschließlich der politischen Hauptstadt Buda, von dem Ottomanischen Reich einverleibt wurde. Finnland unterstand seit dem 12. Jahrhundert dem Schwedischen Königreich und hatte, abgesehen von den ganz frühen Jahren der finnischen Geschichte, keine politische Souveränität, weder im mittelalterlichen noch im neuzeitlichen Sinne. Der westliche Teil des heutigen Landes fiel als ein Teil der Kalmarer Union (1342-1524) Schweden zu (im Grunde genommen bis zum 30. Längengrad), der Ostteil, der seit je her von finnisch-karelischer Ethnizität geprägt war und weit von den schwedischen Machtzentren (bo, Tammerfors) entfernt lag, zerfiel in kleine Wohngemeinschaften der ländlichen Bevölkerung. Die von Schweden ausgegangene evangelische Bewegung bekehrte vor allem die westfinnischen heidnischen Stämme, während im Osten, in den karelischen Regionen, das Heidentum weiter bestand. Später gewann hier die russische Religion, der Prawoslavismus, an Boden.
Ungarische Anfänge:
Obwohl zunächst die Türken und danach die Habsburger in Ungarn die Oberhand gewannen, zerriss nie die Kontinuität der Eigenstaatlichkeit, die eine Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart bildete. Ungarn als europäische Großmacht beruhte - ähnlich wie England - auf dem vertragsmäßigen Kompromiss zwischen dem jeweiligen König und dem die ungarische Nation bildenden Adel. Seit 1222 hatte Ungarn eine De-Facto-Verfassung, die Goldene Bulle, die qualitativ in keiner Hinsicht minderwertiger war als ihr Quasi-Gegenstück, die englische Magna Charta.
Das ungarische Staatsrecht wurzelte tief in fruchtbarem Boden, und aus diesen ersten Produkten der mittelalterlichen Rechtsschaffung ergab sich hinlänglich eine ganze Reihe von staatsrechtlichen Regulierungen. Mehrere Hunderte von Gesetzesartikeln und Statuten schufen die Basis und den Rechtstitel für ein eigenständiges Staatsleben und für die staatliche Souveränität. Und nachdem seit Ende des 17. Jahrhunderts der Kampf ums Dasein, um die staatliche Unabhän