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Neuerscheinungen 2017

Stand: 2020-02-01
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Erin Goldberg, Hemma Schliefnig (Beteiligte)

Wenn du willst, bin ich dein Land


Herausgegeben von Schliefnig, Hemma
2017. 384 S. 19.5 cm
Verlag/Jahr: NOVA MD 2017
ISBN: 3-9611145-3-6 (3961114536)
Neue ISBN: 978-3-9611145-3-5 (9783961114535)

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Viola - Ende 30, emsig darum bemüht eine perfekte Mutter und Hausfrau zu sein - schafft es nur mit Mühe auch dem Rollenbild der perfekten Ehefrau zu entsprechen. Trotz der Flucht in erotische Tagträume gelingt es ihr nicht dauerhaft die Leidenschaft in ihrer Ehe aufrecht zu erhalten - die Ehe scheitert. Viola hat Burnout-Tendenzen, erfährt, dass ihr Ehemann Paolo eine Beziehung zu einer anderen Frau pflegt und zieht schließlich in eine kleine 2-Zimmer-Wohnung. Für Viola beginnt ein harter Weg, denn sie muss sich selbst kennen und lieben lernen. Zur wichtigen Wegbegleiterin dabei wird ihr eine alte Frau, zu deren Häuschen sich Viola eines Tages verirrt. Als schließlich Briefe eines heimlichen Verehrers in ihrem Postkasten landen, erlebt Viola einen entscheidenden Wendepunkt in ihrem Leben, der sie vieles neu überdenken und auch die Rolle eines Mannes verstehen lässt.
Prolog: Ende des Zusammenlebens Das Zusammenleben endete an einem Freitag. Er, Paolo, brach zu ihr auf, wie fast jedes Wochenende seit drei Jahren. Anders war an diesem Freitag Violas Reaktion darauf. Als er diesmal das Geländefahrzeug rückwärts die Hauseinfahrt hinaussteuerte, spürte sie keinen stechenden Schmerz mehr im Brustbereich. Die Hauseinfahrt war wie ein Rollfeld. Viola konnte sich auf die An- und Abflugzeiten von Paolo verlassen. Er verließ Viola freitagabends und kam sonntagabends wieder - verlässlich. Als Paolo aufgehört hatte, seine Außenbeziehung - wie er es nannte - zu verheimlichen und sie, Viola, sich an sein wiederholtes Wegfahren gewöhnt hatte, war es für Viola, als verließe ein Kind das Haus, um nach dem Besuch des Unterrichts wieder zu Mama zurück zu kehren. Nie musste er nachsitzen. Trotz der unerträglichen Situation Paolo teilen zu müssen, wirkte er für sie - so grotesk es klingen mag - nahezu treu. Das hatte es für Viola auch so schwer gemacht, einen Schlussstrich zu ziehen.
Bis zu diesem einen Freitag, hatte Viola jedes Mal bis dreißig gezählt. Bloß eine halbe Minute des Schmerzes - mittlerweile; denn das erste Jahr war ihr diese taktische beruhigende Maßnahme noch nicht zur Verfügung gestanden. Bis dahin hatte sie sich manchmal stundenlang die Augen aus dem Leib geweint, um am Sonntagnachmittag zu beschließen, sie würde sich nichts anmerken lassen; und als Paolo dann pünktlich um 20 Uhr die Rollbahn in Richtung Heimchen am Herd ansteuerte, fand er dieses auch tatsächlich entspannt im Wohnzimmer vor.
Nach dem ersten Jahr aber, war Viola des Weinens müde geworden. Sie hatte beschlossen, sich nur so lange verletzt zu fühlen, so lange sie ihn noch im Blickfeld hatte. Als er verschwunden war - und nach wiederholtem Zählen im Sekundentakt stellte sie fest, es waren exakt 30 Sekunden - machte sie kehrt und widmete sich einer Ecke des großen Hauses, putzend. Eins, zwei, bei drei winkte Paolo meist noch einmal durch die Windschutzscheibe; vier, fünf, sechs, die Garagentüre begann sich wieder zu schließen; sieben, acht, neun, zehn, elf, zwölf, dreizehn, er hielt kurz inne - die erste Zeit löste dieses Innehalten in Viola die zunächst große, im Laufe der Wochen die immer geringere Hoffnung aus, er könne es sich überlegt haben. Vierzehn, er griff ins Handschuhfach zur Sonnenbrille. Fünfzehn bis dreißig kosteten Violas ganze Kraft, um einen Weinkrampf in seiner Gegenwart zu vermeiden.
Nach dem ersten Jahr seines Fremd-Gehens, seiner Außenbeziehung, seines Seitensprungs - alles Worte, die leichter ausgesprochen, als ertragen werden - und dem Entschluss, sie wolle nicht länger so maßlos leiden, zählte Viola im Anschluss die Sekunden, die es brauchte, bis sie sich wieder im Griff hatte. Mit Beginn der Putzaktion waren es maximal 30 Sekunden und Viola freute sich, ja, sie freute sich, auf ihr Rendezvous mit einigen vorgenommenen Quadratmetern des Hauses. Um zu ruhen, setzte sie sich in den Wintergarten. Vereinzelt fütterte sie ihr Tagebuch, meist las sie in einem der Lebensratgeber, mit denen sie von ihrer besten Freundin Lissy - ihrer einzigen Freundin - regelmäßig versorgt wurde. Ob die Lektüre fruchtbringend war? Jetzt, aus der Ferne betrachtet, fünf Jahre später, würde Viola vermutlich sagen: "Ja".
Was zunächst blanke Theorie war, hatte sich doch in einem Winkel ihres Gedächtnisspeichers eingenistet und wartete beharrlich auf einen Zeitpunkt, um herausgeholt zu werden. Denn zu glauben, etwas verstanden zu haben und etwas in die Tat umzusetzen, das waren zwei Paar Schuhe. Und im Nachhinein war Viola sehr dankbar dafür, dass sie den Moment des Schuhwechsels selbst bestimmen hatte dürfen.
Der Entwarnungscountdown, ihr vertrauter Begleiter aus Kindheitstagen, hatte ihr dabei geholfen, die Oberhand zu gewinnen.
Viola hatte beschlossen die Seite zu wechseln. Sie war des Weinens müde, sie war des Leidens müde geworden.