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Helmut Kolitzus
Ich befreie mich von deiner Sucht
Hilfen für Angehörige von Suchtkranken
12. Aufl. 2018. 228 S. m. Illustr. 21 cm
Verlag/Jahr: KÖSEL 2018
ISBN: 3-466-30527-6 (3466305276)
Neue ISBN: 978-3-466-30527-8 (9783466305278)
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In Deutschland gibt es über acht Millionen Kinder, PartnerInnen, Eltern oder Arbeitskollegen, die von der Suchtkrankheit eines Menschen in ihrer unmittelbaren Umgebung betroffen sind. Bisher kümmert sich unsere co-abhängige Gesellschaft mit all ihren Institutionen einseitig um die Süchtigen. Die Angehörigen sind dagegen ohne Lobby und leiden im Stillen lange Zeit stärker als die Suchtkranken. Nur selten finden sie die Kraft, den Teufelskreis der Co-Abhängigkeit ohne Hilfe durch Psychotherapie oder Selbsthilfegruppen zu durchbrechen. Helmut Kolitzus wendet sich in seinem neuen Buch direkt an die Angehörigen von Suchtkranken. Am Beispiel einzelner Schicksale und Therapieverläufe aus der Praxis entwirft er ein Bild der Problematik und der Lösungsmöglichkeiten. Angehörigen wie Fachpersonal aus Helferberufen werden damit Wege aus der Sucht bzw. Co-Abhängigkeit aufgezeigt, die zwar häufig beschwerlich, aber für alle Beteiligten hilfreich sind.
Vorwort: Immer nur lächeln? - Das Tarfun-Syndrom
Über acht Millionen Menschen in Deutschland verbindet ein gemeinsames Schicksal: Sie leiden unter dem Suchtproblem eines Menschen, der ihnen nahe steht - als Partnerin oder Partner, als Sohn oder Tochter, als Vater oder Mutter, als Arbeitskollege, als Schwager oder Schwägerin usw. Die Co-Abhängigkeit ist im Verein mit der Sucht das größte sozialmedizinische Problem unserer Gesellschaft. Warum kommt das bisher etwa in politischen Programmen oder Wahlkämpfen nicht vor? Leider tun unsere Institutionen fast nichts für die, die oft lange Zeit mehr und schlimmer leiden als die Suchtkranken selbst, aber aus Scham und Verzweiflung im Dunkeln bleiben, wo man sie nicht sieht. Vor etwa drei Jahren begann ich nach Ideen zu suchen, die einen gesellschaftlichen Prozess des Umdenkens einleiten könnten, und habe deshalb dieses Buch geschrieben.
In meinen Vorträgen und Seminaren demonstriere ich anhand eines Mobiles, wie alle schweren Krankheiten oder Defekte, ganz besonders aber die Sucht (von siech = krank!) auf soziale Systeme wirken. Nehmen wir den häufigeren Fall: Der Vater (oder Chef) ist mit sich selbst unzufrieden, mit seinem Beruf, seiner Karriere, seiner Ehe, ertränkt seine Gefühle von Trauer und Ärger in Alkohol und/oder nimmt Tabletten gegen die Ängste, Schlafstörungen, Aggressionen und depressiven Zustände. Hängen wir ihm symbolisch eine bayerische Trinkeinheit, einen Maßkrug an (oder ein "Herrengedeck" oder "Man gönnt sich ja sonst nichts" oder ...), zieht es ihn buchstäblich runter, während es gleichzeitig seine Frau nach oben katapultiert, in eine einsame, verlorene Position.
Um das Gleichgewicht im Mobile wieder zu finden, das offenbar tief biologisch verankert ist, müssen und werden die anderen Familienmitglieder sich um den Ausgleich bemühen, indem sie eigene Kraft, Kompetenz und eigenes Leiden in die Waagschale werfen. (Vor Beginn einer Therapie steigen nicht nur die Krankheitskosten des Süchtigen in enorme Höhen, sondern in der Regel auch die der Familienmitglieder!) Ängstlich, ärgerlich, verbittert, traurig bemühen sich alle, ein neues, jetzt krankhaftes Gleichgewicht herzustellen. Vielleicht flüchtet ein Sohn in eine Haschischclique, um vom angeklagten Vater abzulenken, vielleicht wird eine Tochter magersüchtig, um die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, vielleicht verstummt ein anderes Kind und fängt wieder an einzunässen.
Der Suchtkranke hält sich in der Logik seiner Krankheit selbstverständlich für normal, will von der Notwendigkeit, zum Beispiel den Maßkrug wieder abzugeben, nichts wissen. Diesen Mechanismus kann man als "Taifun-Syndrom" beschreiben: Alle rotieren, weil es ihnen nicht gut geht und sie verständlicherweise Hilfe leisten wollen, um den unwilligen und uneinsichtigen Suchtkranken. Und der befindet sich im ruhigen Zentrum des Wirbelsturms...
Dieses Bild kann man auf die Gesellschaft übertragen. Es ist verblüffend, wie unsere Institutionen und ihre Vertreter in seltsamer Faszination dem Phänomen Sucht verfallen und dem armen, spektakulär narzisstisch leidenden Süchtigen mit allen Mitteln unter die Arme greifen wollen. Das erinnert an die übermäßige
Fürsorge, die lange Zeit den (allzu oft suchtkranken) straffällig gewordenen Menschen, den Tätern galt, während man darüber völlig vergaß, dass da noch Opfer sind, die wenig Beachtung oder gar Hilfe erfahren. Die Bestrafung des Täters ist wahrlich kein Ausgleich! Was nämlich ein Suchtkranker in seinem Umfeld an sozialem Unheil, seelischen und oft körperlichen Schäden bei seinen Mitmenschen anrichtet, hat nicht selten die Dimension einer Tragödie. Dagegen sind sozialkritische Psychodramen im Fernsehen geradezu Boulevardtheater.
Wie können wir nun die Energie vom kranken (nicht charakterlosen) Menschen abziehen, der ja sowieso vorerst nichts tun will, und auf diejenigen richten, die jetzt viel mehr Beachtung verdienen? Mein nahe liegender Gedanke: Als