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Udo Kawasser
Ache
2018. 88 S. 21 cm
Verlag/Jahr: SONDERZAHL 2018
ISBN: 3-85449-494-7 (3854494947)
Neue ISBN: 978-3-85449-494-2 (9783854494942)
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Einen Fluss erschreiben? Seinem gewundenen Verlauf in der Landschaft nachspüren, aber auch dem in seinem eigenen Leben? Dieser überraschenden Aufgabe stellt sich der Vorarlberger Dichter Udo Kawasser in seinem neuen Buch. Doch was hat es mit diesem Fluss auf sich? Die Bregenzer Ache ist ein rauher Gebirgsfluss und entspringt im Lechquellengebirge in
2400 Metern Höhe, um nach etwa 67 km Flusslauf durch den Bregenzerwald in den Bodensee zu münden. Einheimische nennen den Fluss schlicht Ache oder, noch kürzer, Ach. Für Udo Kawasser, der nicht weit von ihrer Mündung in Lauterach aufgewachsen ist, wird sie zum Sehnsuchts- und Erinnerungsort voller Poesie.
Doch kann man zu einem "über Geröll schäumenden" und über Kanten stürzenden Gewässer "Ort" sagen? Nicht nur der Fluss ist ständig in Bewegung, ändert laufend seinen Wasserstand, je nach Tages- und Jahreszeit seine Farben, auch die Menschen und Tiere im Wasser und an den Ufern werden von ihm in Bewegung gehalten. "Als wäre die Ache ein fertiges Ding, an das ich mich mit Sprachen heranmachen könnte, und nicht ein Vorwurf, der sich erst im Verlauf des
Schreibens herstellt."
Mit Ache setzt Udo Kawasser seine mit "Unterm Faulbaum" begonnenen Wasserstudien fort, beobachtet Enten und Mehlschwalben, Äschen und Forellen, Insekten und Pflanzen, im Winter am Ufer stehend erinnert er Kindertage im Sommer: "so erfuhr ich am eigenen Leib, was Erosion ist, noch bevor ich wusste, dass es ein Wort dafür gab." Naturbeobachten und -beschreiben bedeutet für ihn immer auch Sprachskepsis, sich selbst beim Schreiben zuzuschauen: "Wie lange bleibt der Fluss "Fluss"?" und wie sich auf die Wörter verlassen, wenn es schon Schwierigkeiten bereitet, von "Ufern" zu sprechen?
Wie beim "Faulbaum" ist für Kawasser evident, dass nur die Poesie für das Schweigen der Natur eine Sprache finden kann, und in dieser Sprachfindung die Hoffnung enthalten ist, dass "im Zusammenfall von sprachlos Erfahrenem (der Moment einer Spiegelung auf dem Wasser) und dem durch die Worte hervorgerufenen Erleben vielleicht die Möglichkeit von Evidenz oder sogar Wahrheit zu erleben" sei.
Die grünlich schillernde Fläche unter der Julisonne. Tropentage. auch in den Bergen nun die kürzesten Schatten in den Mulden und Schrunden, aus denen die Zuläufe ihren Ausgang nehmen. auf dem Wasser der schlingernde Auftrag
des Uferwalds, Farnwelle, kühler Widerstand um die Fußgelenke, die Knie, die Hüften, eintauchen ins feuchte Element, das über mir zusammenschwappt. glucksend weicht die Luft aus den Ohren, falle ohne Schwere, in schleifender Stille durch die angetrübte Klarheit der Flusssohle zu, lass mich von der Strömung mitreißen, fliege ins Wasser gespannt über das ausgeschotterte Bett, alle Körperlagen sind möglich, wären da nicht Felsbrocken, Sandsteinplatten, auf die ich zutreibe, ein Geschoß im fliehenden Lauf der Ache, Füße voran durch die Stromschnellen der tiefsten Stelle zu, abtauchen als fliegender Gedanke im Element und innehalten auf dem bemoosten Sandstein, den Kopf umschwirrt von Bremsen. widerstrebe dem Zug der Ache; ihr Zerren an den Gliedern, rüttelndes Wasser, aus dem schwerer, feuchter Moosgeruch steigt. Abgleich mit den Archiven der Kindheitstage, widerstehen, noch und noch und dann los, sich treiben lassen, die grün schillernde Fläche, die aus den Ohren rieselnde Luft, lass mich verschlucken, verlier die Wörter in der glucksenden Flut, werde durchscheinend für jede Bewegung des Flusses.