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Neuerscheinungen 2018

Stand: 2020-02-01
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Georges Anglade, Peter Trier, Cornelius Wüllenkemper (Beteiligte)

Das Lachen Haitis


Neunzig Miniaturen
Mitarbeit: Wüllenkemper, Cornelius; Übersetzung: Trier, Peter
2. , überarb. Aufl. 2018. 352 S. 24.5 cm
Verlag/Jahr: LITRADUKT 2018
ISBN: 3-940435-28-7 (3940435287)
Neue ISBN: 978-3-940435-28-6 (9783940435286)

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Die lodyans ist das einzige typisch haitianische Literaturgenre, sie gehört zu Haiti wie der Voodoo und die kreolische Sprache. Georges Anglade hat dieses Genre wiederentdeckt und wiederbelebt. In diesem Band bilden neunzig lodyans ein Mosaik Haitis, das die Provinz, die Hauptstadt und die Diaspora umfasst. Ein Werk voll hintergründigem Humor, Witz und tiefem Ernst, das dem Leser eine terra incognita in immer neuen Facetten entschließt. Das literarische Vermächtnis des großen Humanisten Georges Anglade.
DER ETWAS-MEHR-WERT
Zwei Brüder. Unzertrennlich. Der eine weiß, der andere schwarz. Dicke Freunde seit der Schulzeit an der Polyvalente Louis Philippe Paré in Châteauguay. Sie waren gemeinsam Jahr für Jahr Schüler von Ben, Jean-Marie und Georges, von Mireille und Pierrette und von Henri, ohne dass auch nur der Schatten einer Uneinigkeit diese in der Kindheit getroffene Wahl trübte. Es war also ganz natürlich, dass sie beim Herannahen der Computerkatastrophe des Jahres 2000 beide den einträglichen Beruf des Informatikers wählten und dass sie schnell viel Geld verdienten. Sie kau en in einem neuen Komplex gemeinsam zwei Wand an Wand stehende halbfertige Stadthäuser, um mit herrlichem Blick auf den Fluss und die Mercier-Brücke als Nachbarn am Ufer zu wohnen. Sie hatten am selben Tag beim selben Notar demselben Verkäufer derselben Firma denselben Preis gezahlt. So waren sie. Zwillinge. Marasa.
Der Frankokanadier hatte ein hervorragendes handwerkliches Talent geerbt und der Haitianer zwei linke Hände. Wenn´s weiter nichts ist! Die solide Freundschaft sorgte dafür, dass sie auch in ihrer wenigen Freizeit - so gefragt waren sie - ihre Häuser gemeinsam fertigstellten. Der Bau zog sich also über zwei Jahre hin, in denen der eine durch das Beispiel des angesammelten Know-hows als Lehrmeister wirken
konnte und der andere mangels Traditionen by doing lernte, so gut er konnte. Keine Unstimmigkeit störte den Frieden auf der Baustelle. Jeder wusste, wo sein Platz war. Der eine war der Boss, der andere der Hilfsarbeiter.
Sie waren zufrieden. Es war gute Arbeit. Das Resultat sah gut aus. Während der letzten Pause der letzten Inspektion des fertigen Baus bewertete der Kenner das Ganze voll Genugtuung. Die Küchen aus Eichenholz fügten dem Grundpreis jedes Hauses gute fünfzehntausend Dollar hinzu. Die komplett ausgestatteten Badezimmer mindestens zwanzigtausend Dollar. Die ausgebauten Kellergeschosse wiederum waren für mindestens fünfzehntausend Dollar gut. Der weiße Freund hob sein Glas, um mit seinem schwarzen Freund auf ihre siamesischen Häuser anzustoßen, und bemerkte, sie hätten soeben den Wert ihrer Investition um fünfzigtausend Dollar gesteigert, während die Materialien höchstens ein Drittel der Summe gekostet hätten. Ihre Arbeit habe guten Lohn gebracht, aber das größte Vergnügen empfinde er darüber, dass sie alles selbst gemacht hätten. Die letzte Heimwerklektion ließ so die Hämmer und Nägel, den Gips und die Farbe hinter sich und kam auf den Stolz auf das gelungene Werk zu sprechen, ein entscheidendes Kapitel, das, so hoffte der Meister, eines Tages den trocken-zweckmäßigen Handbüchern hinzugefügt werden würde. Sie hoben ihre Gläser auf diesen Gedanken.
Als die Reihe an ihn kam, einen Vorwand zum Trinken zu finden, erklärte der Schwarze, dass bei seinem Haus die Wertsteigerung noch um zwanzigtausend Dollar höher liege als die behaupteten fünfzigtausend. Wenn´s weiter nichts ist! Der Weiße fand die Summe etwas übertrieben, aber an diesem Tag der Einweihung wollte er seinen Freund nicht verärgern. Er stimmte der überhöhten Schätzung zum Schein zu, denn die Preise stiegen, und mit ein wenig Glück könnten sie zu diesem Preis einen Käufer finden. Da erklärte der schwarze Freund ihm, dass er für dasselbe Haus in jedem Fall zwanzigtausend Dollar mehr bekommen würde, egal welchen Preis sein weißer Freund verlangte.
Als der ihn aufforderte, sich näher zu erklären, erläuterte er unter Anführung zahlreicher Fallbeispiele, dass er bei einem Verkauf Profit daraus schlagen könnte, keinen Haitianer als Nachbarn zu haben.