Neuerscheinungen 2018Stand: 2020-02-01 |
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Sybille Eberhardt
Als das ´Boot´ zur Galeere wurde ...
Wie jüdische Frauen und Mädchen aus Lodz und Umgebung Ghettoisierung, Lagerhaft in Auschwitz-Birkenau, Bergen-Belsen, Zwangsarbeit in Geislingen/St. und Deportation nach Allach überlebten
2018. 504 S. 74 Abb. 21 cm
Verlag/Jahr: KINZEL 2018
ISBN: 3-9554410-0-8 (3955441008)
Neue ISBN: 978-3-9554410-0-5 (9783955441005)
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In ihrer neuen Arbeit verbindet Sybille Eberhardt beide Schwerpunkte. Wir begleiten 18 polnische Jüdinnen auf ihrem Weg durch die im Titel angegebenen Lager sowie 16 von ihnen bei der Zwangsarbeit in der WMF. Dabei lernen wir die Lebensverhältnisse der Juden im Vorkriegspolen ebenso kennen wie die Auswirkungen, die die deutsche Besatzung auf die polnische und jüdische Bevölkerung im 2. Weltkrieg hatte. Zudem gewinnen wir Einblicke in die Verknüpfung der deutschen Rüstungsindustrie mit dem KZ-System und dessen Personal.
Vorwort
Versunken in den Anblick der Schwelle höre ich das Klappern der Holzschuhe auf dem Straßenpflaster. Das beim Näherkommen der Häftlingskolonne anschwellende Geräusch lässt einen Grundrhythmus erkennen, eingepeitscht von begleitenden Schreien der Wachmannschaft, doch überlagert immer wieder von einzelnen aus dem Tritt Gekommenen - infolge der Straßenglätte, der eigenen Schwäche, der wegrutschenden Holzpantinen.
Ich sehe den schier endlos erscheinenden Zug ausgemergelter Gestalten vorwärts stolpern, die meisten Köpfe geschoren, teils von nachwachsenden Haarstoppeln gesäumt, den leeren Blick auf das Pflaster oder den Vorausgehenden gerichtet, frierend in dünnen gestreiften Häftlingsklamotten, die - teils zu groß, teils zu klein - die Missachtung der Träger durch ihre wohl genährten Aufseher reflektieren, sie zur uniformierten Masse degradiert haben, die beinahe alters- und geschlechtslos ist, abgerichtet zur Arbeit ...
Wer sind diese Menschen? Gibt es noch Spuren von ihnen? Woher kamen sie? Was haben sie erlebt? Gibt es Überlebende? Wie kann man sie finden? Fragen, die mich zu Nachforschungen veranlassten.
Die erste Spur bot eine Transportliste (Anmerkung: Fund von Familie Schneider 2015 in Yad Vashem). Auf ihr wurden rund 800 jüdische Zwangsarbeiterinnen aus Ungarn und Polen verzeichnet - anlässlich ihres Abtransports von Geislingen nach Dachau/Allach, wohin sie noch kurz vor ihrer Befreiung durch amerikanische Truppen am 11.4.1945 gebracht wurden. Aufgelistet wurden nicht nur die Namen der Frauen und ihre Häftlingsnummer, sondern auch ihr Geburtsort und Geburtstag. Letzterer war, wie sich später herausstellte, in Einzelfällen dem von den Nazis bevorzugten Alter der Arbeitskräfte angepasst worden, um einer drohenden sofortigen Vernichtung zu entgehen. Zum Zeitpunkt ihres Abtransports aus Geislingen waren die Frauen diesen Angaben zufolge zwischen 14 und 50 Jahre alt, wobei der Schwerpunkt bei den jüngeren Frauen um 20 lag. Von den ursprünglich 820 ausländischen Zwangsarbeiterinnen kam etwa ein Siebtel aus Polen, einem Land, mit dem ich mich auf Grund meiner eigenen Familienforschung schon länger beschäftigt habe und dem daher mein besonderes Interesse galt. Dem Verzeichnis der Geburtsorte der polnischen Zwangsarbeiterinnen war zu entnehmen, dass mindestens zwei Drittel aus dem Raum Lodz stammten. Aus Lodz direkt stammte, folgt man der Liste der Nazis, angeblich niemand. 77 Frauen waren in der Liste ihres Geburtsortes beraubt worden. Als einziger der angegebenen polnischen und ungarischen Geburtsorte existierte er nicht. Der Name eines im 1. Weltkrieg bei Lodz siegreichen deutschen Generals löschte den polnischen Namen der Stadt aus und beraubte die gebürtigen Bewohner wörtlich ihrer geographischen Wurzel. Die Eindeutschung der Schreibweise des Städtenamens hatte den Besatzern nicht genügt, ´Lodsch´ wurde im April 1940 zu ´Litzmannstadt´ germanisiert. Die zu Nummern degradierten Menschen sollten abgeschnitten von ihrer geographischen und geschichtlichen Identität auf ihre Verfügbarkeit als Arbeitskraft reduziert werden.
Eine direkte Spur zu den in Geislingen arbeitenden Lodzerinnen verdanke ich dem Hinweis des Hobbyhistorikers Hoche auf die Video-Interviews der südkalifornischen Universität (USC), die in den 90er Jahren an verschiedenen Orten der USA, Kanadas und Südafrikas (Anmerkung: Die in Israel in hebräischer Sprache aufgenommenen Interviews konnten hier mangels Hebräischkenntnissen nur in einem Einzelfall berücksichtigt werden), weitab von ihrer ursprünglichen Heimat aufgezeichnet wurden und den Namen nicht nur ein Gesicht, sondern auch eine Stimme verliehen, die die Vergangenheit der Holocaust-Überlebenden lebendig werden ließ. 18 Lebensgeschichten verschmolzen zu einem eindrucksvollen Bild eines düsteren Zeitabschnitts, der trotz intensiver Forschung noch immer zusätzlicher Erhellung bedarf.
Die verschiedenen Biografien von Molly Ash, geb. Maroko, Sala Biren,