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Helga Flatland, Elke Ranzinger
(Beteiligte)
Eine moderne Familie
Übersetzung: Ranzinger, Elke
2019. 320 S. 206 x 129 mm
Verlag/Jahr: WEIDLE VERLAG 2019
ISBN: 3-938803-93-2 (3938803932)
Neue ISBN: 978-3-938803-93-6 (9783938803936)
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Eine ganz normale norwegische Familie: Mama, Papa, die erwachsenen Kinder Liv, Ellen und H†kon und die Enkel Agnar und Hedda. Alle gehen ihren interessanten Berufen nach, verstehen sich gut. Feiern gemeinsam die Feste des Jahres. Treffen sich sonntags mit ihren zum Teil wechselnden Partnern zum Essen bei den Eltern. Im Sommer verbringt man Zeit in der Familien-Hütte in den Bergen.
Und dann das: Am siebzigsten Geburtstag von Papa verkünden die Eltern, daß sie sich scheiden lassen wollen. Plötzlich ist nichts mehr, wie es war. Wie in einem Mikado-Spiel, bei dem ein herausgezogenes Stäbchen die Balance zum Einsturz bringen kann, bricht die Familienidylle zusammen, es gibt scheinbar keinen sicheren Boden mehr. Auch das Leben der Kinder gerät in profunde Unordnung. Erzählt wird diese spannende Geschichte über die Untiefen des Familienlebens abwechselnd von Liv, Ellen und H†kon. Durch diesen Kunstgriff gewinnt der Roman einen einzigartigen Perspektivenreichtum und zeichnet konturscharf das Bild moderner Menschen und ihrer Kämpfe, Verletzungen und Träume.
"Du benimmst dich schon während der ganzen Reise so demonstrativ", sagt Ellen, bevor Mama antworten kann. "Du rückst jetzt besser mal damit raus, was los ist, anstatt die ganze Zeit so scheißdeutliche Anspielungen zu machen."
Ich halte den Atem an. Bemerke es erst, als mein Herz zu hämmern beginnt.
Mama setzt mehrmals an. Schließlich dreht sie sich zu Papa um.
"Möchtest du dazu vielleicht etwas sagen, Sverre?" fragt sie.
Ein paar Sekunden lang starren sie einander an. Beider Mienen sind für mich unlesbar. Papa weicht als erster mit dem Blick aus, er schaut zu Ellen, H†kon und mir, zupft links und rechts neben seinem Teller die Tischdecke zurecht, zögert einen Moment, legt dann beide Hände flach auf den Tisch, senkt die Schultern.
"Wir haben beschlossen, uns scheiden zu lassen", sagt Papa.
Mama fährt zurück, als hätte er ihr eine gescheuert, das war offenbar nicht das, was sie wollte.
Zuerst reagiere ich mehr auf Mamas Reaktion als auf das, was er gesagt hat, sie wirkt auf einmal so klein und ängstlich. Ich sehe zu Ellen und H†kon, habe das unmittelbare Bedürfnis, sie zu beschützen, möchte, daß sie den Tisch, das Gespräch verlassen, möchte sagen, daß ich das in Ordnung bringe. Aber ich bleibe nur still sitzen. Mama setzt sich wieder hin.
"Ist wahrscheinlich gut, daß du es gesagt hast", sagt sie zu Papa. "Aber es hört sich dramatischer an, als es ist", fährt sie fort und blickt zu mir.
"Wie kann es weniger dramatisch sein als das, was er faktisch gesagt hat? Oder laßt ihr euch nicht scheiden?" fragt Ellen, bevor ich etwas sagen kann, sie sieht mit einemmal aus wie ein trotziger Teenager.
Mama fuchtelt mit der Hand Richtung Papa, wie um zu sagen, da hast du es.
"Doch, wir werden uns scheiden lassen. Es ist eine wohlüberlegte Entscheidung. Wir haben beide ein Gefühl von Leere, daß wir aus einander und aus dieser Ehe alles herausgeholt haben, was möglich war", spricht Papa weiter. "Wir sehen im anderen keine Zukunft mehr."
"Hast du das gewußt?" fragt Ellen mich.
"Nein", sage ich und sehe zu Mama.
"Wir haben darüber sehr, sehr viel gesprochen, haben versucht, es anders zu lösen, aber wir haben uns ganz einfach auseinandergelebt", sagt sie.
Ich versuche Blickkontakt mit H†kon herzustellen, aber er starrt nur auf den Tisch.
"Wir werden versuchen, einiges auf eigene Faust herauszufinden, das Ganze war schon seit ein paar Jahren nicht mehr richtig. Ich habe ja ab und zu versucht, mit euch darüber zu sprechen", sagt Papa.
"Nicht mit mir", widerspricht H†kon.
Soweit ich mich erinnern kann, auch nicht mit mir. Es wird still. Mama und Papa sind wie beschämte Kinder, sie tun mir leid, automatisch nehme ich Papas Hand und drücke sie, aber lasse sie jäh los, als ich Mamas Blick spüre und bemerke, wie ihre Hand nervös und verlassen die Tischdecke glattstreicht.
Ellen lacht plötzlich los. Ihr Lachen hört sich aufrichtig an.
"Auseinandergelebt? Zukunft? Mal im Ernst, ihr seid siebzig!"