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Jörg Schulte, Saul Tschernichowski, Saul Tschernichowsky (Beteiligte)

Dein Glanz nahm mir die Worte


Autobiographie, Poeme, Das goldene Volk
Übersetzung: Schulte, Jörg
2019. 328 S.
Verlag/Jahr: EDITION RUGERUP 2019
ISBN: 3-942955-70-9 (3942955709)
Neue ISBN: 978-3-942955-70-6 (9783942955706)

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"Du willst wissen, was ich schreibe, warum ich nicht schreibe usw.? [...] Ich schreibe, weil ich lebe, weil ich in diesem Moment das Lied des Lebens fühle. Und wenn Du eines meiner Lieder findest, das an einem bestimmten Ort und zu einer bestimmten Stunde geschrieben und unterzeichnet ist - so wisse: Zu jener Stunde und an jenem Ort habe ich das Lied des Lebens gespürt. Das Leben selbst ist, in jener Form, in der es sich taglich vor uns manifestiert, bis zum Ersticken voll von Schmutz und Makel. Aber der Kern des Lebens, sein Wesen, das Geheimnis des Lebens ist ein Lied, das Lied aller Lieder, das erhabenste Lied, das es gibt und das es geben kann. Und es ist nicht einfach ein Lied, sondern ein Siegeslied. Ein Lied des Sieges der Materie über Tohu und Bohu." [aus einem Brief an Joseph Klausner]
Der zweite Band umfasst, neben der Autobiographie und den autobiographischen Poemen, Tschernichowskys Spatwerk "Das goldene Volk". Inspiriert von Maurice Maeterlincks "La vie des abeilles" erzahlt das Epos in über 2200 Hexametern den Auszug des Bienenschwarms aus seinem Stock, verflochten mit Episoden aus der Kindheit des Dichters und dem Bau der ersten Kibbuzim. Allegorisch steht derAuszug für die Wanderung des jüdischenVolks nach Palastina; er ist der neue Gründungsmythos des hebraischen Volks.
Wie Isaak Babel Odessa und Bruno Schulz Drohobycz in die Karte der europaischen Literatur eingetragen haben, zieht Tschernichowsky ihre Grenzen um die Steppen Tauriens. Im Rhythmus der Hexameter zieht sich das Herz des Lesers zusammen ob der Sehnsucht nach einer mythischen Landschaft, geschaffen aus der epischen Weite des Homer und dem hebraischen Mythos von einem Judentum der Steppe, das anders war als jenes der Schtetl und des sündigen Odessa.
Ika tzantarot dedahva... es gibt jene goldenen Rohre -
nichts, das der Schöpfer geschaffen, erreicht ihren Zauber, in allem,
das er vollbracht - sich zur Ehre, den Glanz seiner Welt zu vermehren.
Denn in die Stiftshütte hieß er - so wie auf den Tisch mit dem Schaubrot
auch eine Flasche mit Manna zu bringen. Die Fülle der Welt ist
nichts als der Schaubrote Tisch, der in all seinem Glanze vor ihm steht,
randvoll mit Flaschen von Manna - bezaubernden, goldenen Flaschen.
Zara dedahava ika ... es gibt einen goldenen Samen,
in seinem Schoß sind die Wunder des Lebens, der Ewigkeit Funken,
Ratsel des Lebens verborgen, das riesige Ratsel der Ratsel.
Einst, da er wirkte auf Erden, an Tagen der machtigen Schopfung,
gab er die Weisung, all das, was im Schoße der Erde verhüllt war -
Schätze des Seins, das im reinsten Fragment des Geheimnisses dammert.

aus dem Epos Ama dedahava (Das Goldene Volk)
Tschernichowski, Saul
Saul Tschernichowsky gehorte in den 1890-er Jahren zu einem kleinen Kreis Odessiter Hebraisten, der die Renaissance erschaffen hat. 1875 im Dorf Michajlovka im Gouvernement Taurien geboren, wuchs er mit dem Russischen, Ukrainischen und Jiddischen auf und lernte früh Hebraisch.Von 1899 bis 1906 studierte er Medizin in Heidelberg und Lausanne und lebte von 1922 bis 1932 nahezu unbemerkt in Fichtengrund (nordlich von Berlin), wahrend er in allen Teilen der hebraischen Welt als nationaler Dichter empfangen wurde. Erst 1932 gelang ihm als Kinderarzt die Emigration nach Eretz Israel, wo er bis zu seinem Tod 1943 unter dem Eindruck der europaischen Ereignisse sein Spatwerk verfasste.

Schulte, Jörg
Jörg Schulte ist Professor für Slavische Literaturen an der Universität zu Köln._ Für seine Studien zur polnischen Renaissance erhielt er 2016 den Jan Kochanowski-Preis. Im Jahr 2012 edierte er das Werk des Übersetzers Salomon Dykman (1917-1965), eines frühen Trägers des
Tschernichowski-Preises (1961).