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Maren Lehmann
Mit Individualität rechnen
Karriere als Organisationsproblem
2011. 380 S. 22 cm
Verlag/Jahr: VELBRÜCK 2011
ISBN: 3-942393-19-0 (3942393190)
Neue ISBN: 978-3-942393-19-5 (9783942393195)
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Maren Lehmanns Untersuchung führt zu einer überzeugend formulierten Neukonzeptualisierung der soziologischen Individualitätstheorie im Kontext der Differenz von bürokratischer Organisation und kommunikativem Netzwerk. Sie bildet den Anfang eines umfassenden Forschungsprojekts, das sich mit dem Gedächtnis der Organisation als eines komplexen Algorithmus´ sozialer Ordnung befasst."Die Theorie der Organisation fängt grundlegende Fragen nach der Genealogie von Ordnung oder von den Formen von Rationalität auf. Sie steht damit systematisch und historisch im Fokus soziologischer und philosophischer Fragen. Maren Lehmann hat diesen Zusammenhang auf beeindruckende Weise vorgeführt." (Dirk Rustemeyer)
Dieses Buch "besticht durch einen theoretischen Witz, eine analytische Beweglichkeit und eine stilistische Intelligenz, die in der aktuellen Soziologie (...) selten geworden sind. Lehmanns Plädoyer für die Arbeit an einer Theorie rechnender Formen, verstanden sowohl als Weiterentwicklung der Theorie sozialer Systeme wie auch als deren Umsetzung in eine offenere, Text, Skizze, Gleichung und Diagramme inkludierende Medialität (...), wird mit einem aus dem Vergleich mit der Tradition gewonnenen angemessenen Zögern, aber auch mit einem deutlichen Vergnügen am Experiment, am Spiel und am Design vorgetragen. Nicht zuletzt wegen der Rekurse auf ebenso produktiv wie kreativ gelesene soziologische Theorien und wegen der inhaltlichen Ergebnisse einer Würdigung der Innovationen der Franckeschen Anstalten, des subversiven Witzes der Ideen Peters I. und der präzisen Techniken Lenins ist die Lektüre dieser Untersuchungen ein Genuss." (Dirk Baecker)
Aus dem Inhalt:
Vorwort von Dirk Baecker
Einleitung
Improvisationen
August Hermann Francke: Wiedergeburt und Registratur
Peter I.: Regulierter Staat und Leutemangel
Unruhen
Projektmacher ú Genie ú Subjekt ú Das Gewissen im Glashaus
Lenin: Revolution durch Organisation
Interpretationen
Standing, Staging, Passing
Everett C. Hughes ú Erving Goffman ú Anselm H. Strauss
Inklusionen
Talcott Parsons ú Niklas Luhmann
Coupling, Switching, Playing
Karl E. Weick ú Harrison C. White ú Dirk Baecker
Rekursionen
Die Form: Skizze und Kalkül der Kommunikation
Individualität in Stellenordnungen
Organisation und Entscheidung ú Stand, Rolle, Stelle, Chance: Individualitätskalküle von Francke bis Lenin ú Exkurs: Erziehung ú Exkurs: Management
Karriere: Ein organisationaler Kalkül mit Individualität
"Mit Individualität zu rechnen, heißt, mit der Organisation zu rechnen, der Strukturform der Schrift- und vor allem der Buchdruckgesellschaft. Um diese Komplikation geht es, wenn von Individualität die Rede ist: Individuum ist, wer mit sich rechnen lässt im Raum der bürokratisch beobachtenden, ihre Beobachtungen formalisiert registrierenden Organisation: in pädagogischen, wohltätigen, militärischen, polizeilichen Anstalten, in staatlichen Behörden und ökonomischen Betrieben.
Sie alle betrachten den Menschen als auf dem Papier identifizierbare Einzelheit, die weiterer Nachfrage nicht bedarf, so sehr auch immer diese papierne Identifikation Nachfragen provozieren und auch forcieren kann: nach Seelen, Körpern, Psychen, nach dem Bewusstsein, der Persönlichkeit, den Motiven von Erleben und Handeln und vielem anderen. In der Beobachtung der Organisation - in ihrem Kalkül - wird jede Seele, jeder Körper, jedes Bewusstsein, jede Persönlichkeit, jedes Motiv zur nicht weiter zu differenzierenden, minimalkompakten Einzelheit, zu einem - im Wortsinne - calculus, einem Rechenstein: einem individuum.
Jedem anderen Beobachter - nicht zuletzt dem Bewusstsein, mit dem hier gerechnet wird, vor allem aber einer Vielzahl kommunikativer Beobachter im sozialen Raum der Gesellschaft: in der vormodernen Gesellschaft vor allem den Ständen, in der modernen Gesellschaft dann vor allem den Familien - ist deutlich, dass diese Individualisierung ein Kalkül mit Verwechslungen ist. Denn die Organisation rechnet mit Individualität, als gäbe es sie wirklich, als käme es gar nicht an auf Geburt und Stand, Taufe und Bekenntnis, Verstand und Gefühl, als sei das alles hinreichend bezeichnet mit einem einzigen Terminus. Ihr Kalkül rechnet mit Konfusionen der Sozialordnung, er verunsichert jeden Status und jede Herkunft und jede Sicherheit und jede Selbstverständlichkeit...."