Petrus erscheint im Johannesevangelium stellenweise mehr als Stein des Anstoßes denn als Fels. Vor allem neben dem Lieblingsjünger wirkt seine Figur ambivalent. Aus dieser Perspektive hat die Forschung häufig einen Gegensatz zwischen der johanneischen und der petrinisch -großkirchlichen Tradition konstruiert, der erst in Joh 21 aufgelöst werde. Tanja Schultheiß kommt zu anderen Ergebnissen: Sie bietet erstmals eine synchrone Analyse aller johanneischen Petrus-Passagen (unter Einbeziehung narratologischer Aspekte) und analysiert das johanneische Petrusbild im Gegenüber zu den synoptischen Bildern. Es steht weder im Gegensatz zu diesen, noch lässt sich ein Graben zwischen Joh 1-20 und Joh 21 erkennen. Vielmehr kommt der durchgehend ambivalenten Darstellung des Petrus narrativ und theologisch eine wichtige Funktion zu: In der Zuordnung zum Lieblingsjünger wie in der Rolle als Sprecher der Jüngergemeinde verkörpert die Petrus-Figur exemplarisch die Angewiesenheit aller Glaubenden auf die spezifisch nachösterliche "Sehweise" des Johannesevangeliums.