Neuerscheinungen 2012Stand: 2020-01-07 |
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Martin Hinterberger
Phthonos
Mißgunst, Neid und Eifersucht in der byzantinischen Literatur
2012. 530 S. 24 cm
Verlag/Jahr: REICHERT 2012
ISBN: 3-89500-914-8 (3895009148)
Neue ISBN: 978-3-89500-914-3 (9783895009143)
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Die Emotion "Phthonos" spielt in Byzanz (definiert als "Schmerz über das Wohlergehen des anderen") eine besondere Rolle: Sie ist das Böse an sich. Einerseits ist Phthonos die negative und aggressive Leidenschaft, die sich durch Heuchelei, Verleumdung sowie Mord äußert und mit der jede Form von Rivalität und Konkurrenz erklärt wird. Andererseits ist Phthonos eng mit dem Teufel verbunden, dessen Ursünde er ist. Mit der biblischen Satansfigur sind vorchristliche Vorstellungen des personifizierten Phthonos als missgünstiger Schicksalsmacht verschmolzen, die nach der Zerstörung menschlichen Glücks trachtet. Diese zweidimensionale Bedrohlichkeit des Begriffs wird in der Literatur vor allem dort eingesetzt, wo Konflikte in Form von Polemiken ausgetragen werden oder in der Erzählung ein negativer Handlungsumschwung eintritt.
Ziel des Buches ist es, die Bedeutung und Verwendung des Begriffs Phthonos (= bösartige Missgunst) in der byzantinischen Literatur zu erhellen und damit dem Verständnis der byzantinischen Literatur sowie der byzantinischen Kultur allgemein näher zu kommen. Phthonos ist für die Byzantiner die feindliche Emotion schlechthin, die mit spezifischen Verhaltensformen und Handlungen wie Heuchelei, üble Nachrede und Verleumdung einhergeht. Ein entscheidender Faktor für die starke Präsenz der Phthonos-Wörter und die Vielschichtigkeit des Begriffs ist die metaphysische Dimension des Phthonos. In der byzantinischen Literatur spielen Phthonos als Schicksalsmacht und der Phthonos des Teufels als wiederkehrende Motive eine hervorragende Rolle. Phthonos wird in diesem Buch daher als Leidenschaft und als literarisches Motiv untersucht.
Kapitel 1 ist der Begriffsbestimmung und Analyse der byzantinischen Terminologie gewidmet. Theoretische Texte zum Phthonos, deren Grundzüge sich im 4. Jahrhundert herausbildeten, werden in Kapitel 2 behandelt. Die allgemeinen Merkmale der menschlichen "Leidenschaft" Phthonos werden in Kapitel 3 dargelegt. Auf die Selbstwahrnehmung durch den Missgünstigen folgt die Diskussion, durch welche Handlungsmuster Phthonos von der Umwelt wahrgenommen wird. Phthonos entsteht in erster Linie in hierarchisch strukturierten Gesellschaftsbereichen, wie insbesondere dem Kaiserhof und der Kirche. Als das protoypische Opfer des Phthonos galt der erfolgreiche General, der von Konkurrenten verleumdet wird und dadurch ins Verderben stürzt.
Kapitel 4 geht der Frage nach, warum der Missgünstige schlechthin in Byzanz der Teufel ist. Kaum zu scheiden ist der missgünstige Satan von einer übermenschlichen Macht Phthonos bzw. einem missgünstigen Schicksal, dessen Beziehung zu entsprechenden Anschauungen der nichtchristlichen Antike untersucht wird.
Kapitel 5 analysiert die Verwendung des Motivs Phthonos im Text. Alt- und neutestamentliche Erzählungen fungieren bei der literarischen Behandlung des Phthonos immer wieder als Bezugspunkte. Phthonos wird aufgrund der engen Assoziation des Begriffs mit dem Bösen als Argumentationsinstrument in Texten mit propagandistischem, polemischem oder apologetischem Einschlag verwendet. Usurpationen werden damit gerechtfertigt oder Anklagen die moralische Grundlage entzogen. Anhand einer eingehenden Untersuchung hagiographischer, historiographischer sowie fiktionaler Texte wird die Vielschichtigkeit des Phthonos-Motivs dargelegt und einerseits die verschiedenen Ebenen und Erscheinungsformen voneinander unterschieden, andererseits aber auch das Zusammenwirken und die enge Verflechtung von menschlichem und übermenschlichem Phthonos sowie vom Phthonos des Teufels und vom Phthonos des Schicksals in den Texten deutlich gemacht. Aus dieser Mehrdimensionalität bezieht das Motiv seine besondere Dynamik und Attraktivität, die die dichte Präsenz des Phthonos in den byzantinischen Texten und seine Funktionalität für den Aufbau dieser Texte erklären.