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Neuerscheinungen 2012

Stand: 2020-01-07
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Fatou Diome, András Dörner (Beteiligte)

Eingeborne zuerst!


Übersetzung: Dörner, András
1. Aufl. 2012. 104 S. 190 mm
Verlag/Jahr: SUJET VERLAG 2012
ISBN: 3-933995-95-7 (3933995957)
Neue ISBN: 978-3-933995-95-7 (9783933995957)

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In sechs Geschichten, die größtenteils autobiografisch sind, schildert Fatou Diome ihre Reise von dem heimatlichen Senegal aus über mehrere Stationen bis ins französischen Straßburg. Als 13-Jährige verlässt sie ihre Heimat, um die Schule zu besuchen. Von dort an muss sie größtenteils selbst für ihren Lebensunterhalt aufkommen. Die Parole Eingeborne zuerst! beschreibt die Politik der rechtsextremistischen französischen Partei Front National, die mit allen Mitteln versucht, Menschen ohne französische Staatsbürgerschaft den Zugang zu Arbeitsplätzen und Sozialleistungen zu erschweren. In ihrer Zeit in Frankreich bekommt auch Fatou Diome diese Diskriminierung zu spüren.
Fatou Diome beschreibt ihren persönlichen Überlebenskampf, in dem sie oft für ihre Würde eintreten und sich selbst behaupten muss. Sie überzeugt in ihrem von der Kritik einhellig gelobten Erstlingswerk mit bissigem Humor, poetischen Bildern und unverblümten Beschreibungen, die nie ihr Ziel verfehlen.
Aus dem Inhalt:
Die Bettlerin und die Schülerin 7
Die gestohlene Hochzeit 29
Das Gesicht der Arbeitswelt 47"Eingeborne zuerst!" 65
Kunigunde in der Bibliothek 77
Abendmahl mit einem Professor 91
"Die Bettlerin und die Schülerin
Ein paar geröstete Erdnusskerne, zu einem Häufchen geschichtet; eine Hand ergreift sie und füllt sie in eine kleine Tüte. Sachte fallen sie hinein, wie Lebenstage in den Trichter der Zeit.
Noch eine Tüte und noch eine. Die Hand ist geübt, braucht nicht einmal die Hilfe der Augen, um sie zu formen. Die Finger sind verkrümmt, schrundig, hart und zittrig. Vom Unterarm zieht sich ein Muskel bis zum Daumen, tritt wie ein Schnürsenkel immer wieder hervor, um die Tüte fertig zu stellen. Ein anderer Muskel läuft von der Armbeuge aus am Bizeps entlang und endet genau unter einem dritten, der sich mit einer dicken Ader verbündet. Beide führen wie eine Bahnschiene den Hals entlang, bis hin zum linken Unterkiefer der alten Codou.
Der Papiervorrat besteht aus alten Schulheften. Um aus den Blättern Tüten zu fertigen, werden sie zwei Arbeitsgängen unterzogen. Zunächst klemmen zwei Schenkel ein aufgeklapptes Heft ein, sparen nur ein Blatt aus, das wie eine Klinge zum Himmel zeigt. Prompt zieht die Hand an ihm, reißt es heraus. Dann geben die Schenkel das Heft frei, drücken sich erneut zusammen und verwandeln sich in eine Arbeitsplatte. Ein Handstumpf hält das Blatt fest, die Hand glättet es ein wenig, schüttet einen Becher Erdnüsse darauf, rollt es zusammen und knickt das spitze Ende um.
Der Wind wehte die ausgerissenen Blätter zuweilen bis in den Hof. Codou lief ihnen dann hinterher, um sie wieder einzufangen. Hin und wieder musste sie die Blätter aus dem Bambuszaun hervorholen, wo sie sich verkrochen. Doch es war, als wären manche von ihnen mit Güte erfüllt, als würden sie weiterfliegen, um auf blutende Wunden zu hauchen, die in der Nachbarschaft verkrüppelte Gliedmaßen und für ewig erloschene Augen zu hinterlassen drohten. Die alte Codou lebte mit ihrem durch Polio entstellten Sohn Diokéle im Viertel der Leprakranken. Die Pfeile der Seuche, die aus den großen Städten gekommen war, hatten Guignane, ihrem Mann, die Augen ausgestochen. Aus den zwei leeren Höhlen über seiner Nase sickerten weißliche Tropfen hervor, die den Staub des Tages mit sich führten, den Guignane nicht mehr loswurde. Nachdem die Lepra ihm das Augenlicht geraubt hatte, ging der Alte auf seinen Stock gestützt die Straßen des senegalesischen Foundiougne entlang und psalmodierte: ´Nguir yalla, sarakhéléne, nguir yalla.´ - ´Gott ist gnädig, gebt Almosen im Namen des Herrn.´ Jedes Mal, wenn ihm jemand eine Münze zusteckte, ein Stück Brot, eine Handvoll Reis oder Hirse, erging er sich in Segenswünschen und verhieß der guten Seele das göttlichste der sieben Paradiese Mohammeds.
Guignane hatte die Körperfresser-Krankheit zuerst bekommen. Codou, ganz die ergebene Ehefrau, folgte ihm bis in die Quarantäne, pflegte ihn und wollte dabei von der Ansteckungsgefahr nichts wissen. ´Ich habe keine Angst´, entgegnete sie immer wieder auf die zahlreichen Warnungen. ´Gott allein befindet über uns.´ ..."