Neuerscheinungen 2013Stand: 2020-01-07 |
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Alban N. Herbst, Alban Nikolai Herbst, Alexander von Ribbentrop
(Beteiligte)
Argo. Anderswelt
Epischer Roman
1., Aufl. 2013. 871 S. 220 mm
Verlag/Jahr: ELFENBEIN 2013
ISBN: 3-941184-24-5 (3941184245)
Neue ISBN: 978-3-941184-24-4 (9783941184244)
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Fünfzehn Jahre nach ihrem Beginn findet Herbsts Trilogie ihren Abschluss: ein stroboskopisch halluzinierendes Panoptikum aus postapokalyptischem Cyberpunkterror mit Rückkopplung an ein Amalgam aus griechisch-keltisch-aztekischem Mythenschatz und moderner Popkultur. Von seiner Strahlkraft hat das Projekt nichts eingebüßt. Nachdem sich die von Herbsts traditionsreichem Protagonisten Hans Erich Deters collagierte Megametropole Buenos Aires von ihrem Schöpfer abgenabelt und verselbständigt hat, wird sie von einem furchtbaren Anschlag erschüttert. Der Versuch, auf diese Attacke aus dem Osten zu reagieren und dem geheimnisvollen zweiten Odysseus auf die Spur zu kommen, das immer weiter voranschreitende Problem der zu Bewusstsein erwachenden programmierten Menschkopien sowie die größenwahnsinnig-messianischen Pläne des Präsidenten der Anderswelt all dies kreist in seiner faszinierenden Unfasslichkeit irgendwie doch noch immer um das Café Silberstein in Berlin-Mitte: Dort gibt es zwar weiterhin gutes Sushi, allerdings hat man mittlerweile die bizarren Schweißkonstruktionen des Tacheles weggeräumt, die einst das Sitzmobiliar gebildet hatten. Immer noch sitzt Deters dort, in unserer Realität , und beginnt allmählich daran zu zweifeln, wer eigentlich wen erdacht hat. Eine zersplitterte Wirklichkeitserfahrung, die sich über drei parallele Zeiten und Welten erstreckt, die alle für sich beanspruchen, die echte zu sein, lässt einen fixen Realitätsbegriff bald obsolet erscheinen.
Eine weite Totale über den Nullgrund. Langsam schwenkten wir das Panorama entlang. Der Fernsehturm ragte in den Hodnahimmel, und die Tour Eiffel stand schöner denn je. Wir sahen auf das vom Steinschlag dellige, sonst unbehelligte Dach der Charité im Norden, auf den Nachbau der versunkenen Akropolis. Auf das Museumsquartier am Hang darunter, seinen leuchtenden Quader darin. Daneben die KiesingerMoschee und hinter ihr, in wundervollem Grün, den in deutlich erkennbaren Schichten ansteigenden Kalemegdan-Park. Im Westen ragten die Orgelpfeifen La Villettes in langgestreckten Pilzen aus Rauch, vierfünf helle Säulen, die sich ausdehnten gegens Europäische Dach, doch sich noch unter ihm schlossen, dunkel und gebaucht. Die herrliche Kathedrale schließlich der Sagrada Familia, im Südwesten, dahinter, fast am Horizont und über Hunderte Arkologien hinweg, die strahlenden Pfeiler des die große Westbrache teilüberführenden Ponte 25 de Abril. Monte Carlo schließlich und der silbern funkelnde Messepalast, dann schon wieder, noch vor dem gläsernen Riesenschirm des Rheinmainer Hauptbahnhofs, der Fernsehturm. Man zoomte uns auf die République, aus deren Mitte gesichtslos die gerüchteumwobene Statue zur alten ECONOMIA, fortan Nullgrund geheißen, hinübersah. Er lag nun direkt unter uns: ein über nahezu sechzehn Quadratkilometer klaffender Trichter, weggeschlagene Wand, alles verwüsteter Tagebau, bis an die Sperren schäumte die grauschwarze Trümmerlagune des unreinsten Todes. Nicht einen einzigen Menschen, nicht mal versehrt, gab dieses schuttverschlackte Meer wieder her. Das Kameraauge sank hinab, wurde unscharf, als schliefe es ein. Das Fernsehbild verschwamm. Wurde langsam dunkel. Sehr langsam. Ein nächster Schnitt. Und Pontarlier, unter rotem Himmel das prunkend weiße Regierungsgebäude über den Bergen. Seine ewigen Rosenschütten. Daneben der Europarat, er nun schon halbmast beflaggt. In ergreifendem Piano erklang unsre Hymne. SCHNITT. Der Präsident. Ganz gefaßt. In einem schwarzen Anzug mit weißem Hemd und schwarzer Krawatte. Überm rechten Ohr die hodnische Klappe in der Form eines Ohrs; das sahen wir nicht, aber wußten es alle. Hinter dem Mann unser Wappen in Lapislazuli, das Gold unsre Sterne. Der Präsident bewegte sich kaum.