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Neuerscheinungen 2013

Stand: 2020-01-07
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Heinrich von der Haar

Der Idealist


Die Geschichte eines jungen Münsterländers in Berlin
1. Aufl. 2013. 400 S. 22,5 cm
Verlag/Jahr: KULTURMASCHINEN 2013
ISBN: 3-943977-05-6 (3943977056)
Neue ISBN: 978-3-943977-05-9 (9783943977059)

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Den jungen Erwachsenen Heiner, dessen Kindheit Heinrich von der Haar in seinem preisgekrönten Roman Mein Himmel brennt erzählt, zieht es fort vom brutalen Vater und der Enge des erzkatholischen Dorfes. Als er sich ins West-Berlin der 1970er-Jahre aufmacht, gerät er mitten in die Studentenrevolte. In einer Kreuzberger WG trifft der bodenständige Provinzler auf die Hippiefrau Wiltrud, eine Pfarrerstochter, bei der er emotionale Wärme findet, und auf die distanzierte, aber auch anziehende Fabrikantentochter Lisa, die eine Uni-Karriere anstrebt, sowie auf den kiffenden, fahnenflüchtigen GI Justin und den spöttelnden Kommunisten Klaus.Nur Demonstrieren, Plakatieren und Sprayen sind nicht sein Weg - das erkennt Heiner bald. Im Gegensatz zu Justin, der auf Gewalt setzt, und zu Wiltrud, die von einer Öko-Landkommune träumt, brennt er darauf, die Ursachen der Ausbeutung zu begreifen und bekämpfen: Er will Soziologie studieren.
Aber die Schatten der Vergangenheit holen ihn ein - die Gewalt, die ihm angetan wurde, und alte Schuldgefühle. Umso mehr engagiert er sich für Gerechtigkeit und Chancengleichheit. Seine Hoffnungen setzt Heiner auf die nächste Generation, die selbstbewusster und selbstverantwortlicher handeln und leben soll. Nach dem Diplom steht Heiner vor Berufsschülern. Nachdem er sich zunächst gegen den Argwohn seiner Genossen, die an Heiners Gesinnung zweifeln, und gegen die neuen Kollegen, die seinen Lehrmethoden kritisch gegenüberstehen, durchsetzen muss, glaubt er, dass er nun endlich etwas verändern kann - was er jedoch erntet, ist eine erstaunliche Wut, und die eskaliert.
In seiner unverwechselbaren ausdrucksstarken Sprache schildert der Autor von Mein Himmel brennt vor dem Hintergrund des turbulenten Westberliner Zeitgeschehens die Desillusionierung seines Idealisten. Dieses Verschmelzen der persönlichen Erfahrung des Autors mit der jüngsten deutschen Geschichte verhilft dem Erzählten zu eindringlicher Authentizität. Zugleich ist der Roman ein Plädoyer gegen die Resignation und für ein selbstbestimmtes Leben.
Das helle Geschrei der Wildgänse zieht südwärts in der Septembersonne vorüber. Ich trete von einem Bein auf das andere. Die Arme hängen schlaff. Der rechte Daumen auch. Will ich wirklich fort, wie die Zugvögel hoch oben? Sieben Uhr. Die Glocken der Heilig-Geist-Kirche lärmen zum Abschied. Meine Stunde null. Nach der Flucht aus Steinhop, der mittleren Reife im katholischen Internat und der Banklehre habe ich mir mit der Zauberformel Ich-will-Pfarrer-werden die Oberschulpforte geöffnet. Und auf diesen Tag hingelebt. Sind die drei Jahre bischöfliches Kolleg tatsächlich vorbei? Jeden Morgen zum Frühstück Vokabeln gepaukt, mittags Gleichungen gelöst und zur Abendsuppe konjugiert: libero, liberavi, liberatum. Selbst Klassenlehrer Hoppe hat gezittert, ob es zur Reife reicht. Und mir gratuliert. Es hat gereicht!Nun hat das Kolleg mich wieder ausgespuckt. Mein Herz klopft schneller. Berlin steht in fettem Schwarz auf der roten Pappe. Mein Arm sollte sie heben, die Morgensonne blendet schon. Worauf warte ich, Entlassener, mit dem Reifezeugnis von gestern, fünfzehnter September einundsiebzig, im Rucksack und der Erika-Schreibmaschine im Koffer?