Neuerscheinungen 2014Stand: 2020-02-01 |
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Andreas Bruns, Peter Rollins
(Beteiligte)
Der orthodoxe Häretiker und andere unglaubliche Geschichten
Übersetzung: Bruns, Andreas
1. Auflage. 2014. 208 S. 180 mm
Verlag/Jahr: FRANCKE-BUCHHANDLUNG 2014
ISBN: 3-86827-442-1 (3868274421)
Neue ISBN: 978-3-86827-442-4 (9783868274424)
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Peter Rollins wirft in seinen eindrücklichen, oft provokanten Geschichten einen ganz neuen Blick auf den christlichen Glauben. Indem er die kompromisslose Botschaft der Evangelien freilegt, fordert er den Leser auf radikale Art und Weise heraus, sich mit eigenen Verhaltensweisen und Gottesbildern kritisch auseinanderzusetzen, und ermutigt dazu, das zu tun, was Jesus von seinen Jüngern gefordert hat: ihn nicht nur mit Worten zu verkündigen, sondern vor allem im Tun.
1. Die Verurteilung
In einer Welt, in der die Nachfolge Christi als staatsgefährdend und illegal gilt, wirst du als Gläubiger angeklagt, festgenommen und vor ein Gericht gezerrt.
Du wurdest bereits seit einiger Zeit heimlich observiert. So gelang es der Staatsanwaltschaft, ein umfassendes Verfahren gegen dich einzuleiten. Die Staatsanwaltschaft eröffnet den Prozess mit der Vorlage Dutzender Fotos, die dich bei Kirchenveranstaltungen zeigen, dabei, wie du Vorträge bei religiösen Veranstaltungen hältst und an Gebets- und Anbetungsgottesdiensten teilgenommen hast. Anschließend präsentiert die Staatsanwaltschaft eine Auswahl an Dingen, die in deiner Wohnung konfisziert wurden: religiöse Bücher, die du besitzt, Worship-CDs und andere christliche Gegenstände. Dann legt die Staatsanwaltschaft einen Zahn zu, indem sie viele deiner Gedichte, Prosatexte und Tagebucheinträge präsentiert, die du liebevoll über deinen Glauben geschrieben hast. Schließlich überreicht die Staatsanwaltschaft dem Richter deine Bibel, ein ziemlich abgenutztes Buch mit Kritzeleien, Anmerkungen, Skizzen und unzähligen Unterstreichungen. Beweismaterial, falls nötig, das dokumentiert, dass du diesen heiligen Text wieder und wieder gelesen hast.
Während des Prozesses hast du still und leise dagesessen, zitternd vor lauter Furcht. Tief in deinem Herzen ist dir angesichts der Masse an Beweismaterial bewusst, dass dir womöglich eine lange Gefängnisstrafe oder sogar die Hinrichtung droht. Während des Verfahrens hast du alle Hoffnung verloren und warst kurz davor, aufzustehen und Christus zu verleugnen. Doch obwohl dich dieser Gedanke im Laufe des Verfahrens immer wieder quälte, widerstehst du der Versuchung und bleibst wachsam.
Nachdem die Staatsanwaltschaft ihre Beweise vorgebracht hat, fragt dich der Richter, ob du dem noch etwas hinzuzufügen hast. Doch du schweigst und bleibst entschlossen, hast Angst davor, dass du, sobald du auch nur für einen kleinen Augenblick deinen Mund öffnen würdest, die Anklagepunkte, die gegen dich vorgebracht wurden, leugnen könntest. Wie Christus selbst schweigst du vor deinen Anklägern. Daraufhin wirst du nach draußen geführt, um zu warten, während der Richter über deinen Fall berät. Die Stunden vergehen schleppend, während du unter Bewachung im Foyer sitzt und darauf wartest, zurückgerufen zu werden. Schließlich erscheint ein junger Mann in Uniform und führt dich zur Verkündigung des Urteils und deiner Strafe zurück in den Gerichtssaal. Nachdem du auf der Anklagebank Platz genommen hast, betritt der Richter ein harter und kompromissloser Mann den Raum, bleibt vor dir stehen, schaut dir tief in die Augen und fängt an zu sprechen. Ich befinde den Angeklagten in allen Anklagepunkten für nicht schuldig. Nicht schuldig? Dein Herz steht still. Dann, im Bruchteil einer Sekunde, werden die Angst und der Schrecken, die wenige Augenblicke zuvor gedroht hatten, dich deiner Standhaftigkeit zu berauben, verschlungen von Verwirrung und Zorn.
Der Umgebung zum Trotz, stehst du herausfordernd vor dem Richter und verlangst eine Erklärung dafür, warum du im Licht der Beweise in allen Anklagepunkten für unschuldig befunden wurdest. Welche Beweise? , erwidert er schockiert. Was ist mit den Gedichten und Prosatexten, die ich geschrieben habe? , entgegnest du. Sie belegen ganz einfach, dass Sie sich für einen Dichter halten, nichts weiter. Aber was ist mit den Gottesdiensten, bei denen ich predigte, den Augenblicken, in denen ich in der Kirche weinte und mit den langen, schlaflosen Nächten des Gebets? Beweise, dass Sie ein guter Redner und Schauspieler sind, nichts mehr , erwidert der Richter. Es ist offensichtlich, dass Sie die Menschen in ihrer Umgebung getäuscht haben. Es ist gut möglich, dass Sie manches Mal auch sich selbst getäuscht haben. Doch sind diese Torheiten nicht ausreichend, um Sie vor einem ordentlichen Gericht schuldig zu sprechen. Aber das ist Wahnsinn! , schreist du. Es scheint, als g