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Corinna Kühn
Literacy in der Kita: Dialogische Bilderbuchbetrachtungen und deren Bedeutsamkeit für den Schriftspracherwerb
Erstauflage. 2014. 136 S. 6 Abb. 220 mm
Verlag/Jahr: DISSERTA 2014
ISBN: 3-9542582-8-5 (3954258285)
Neue ISBN: 978-3-9542582-8-4 (9783954258284)
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Forschungsbefunde belegen, dass Kinder mit Literacy-Erfahrungen in der frühen Kindheit, d.h. reichhaltigen Erfahrungen rund um die Buch-, Erzähl- und Schriftkultur, langfristig Entwicklungsvorteile sowohl im Bereich der Sprach- als auch der Schriftsprachkompetenz besitzen. Das Literacy-Konzept aus dem anglo-amerikanischen Raum bleibt in der deutschen Kindergartenpraxis bisher bedauerlicherweise nahezu unberücksichtigt.
Mit der vorliegenden Veröffentlichung soll daher darauf aufmerksam gemacht werden, welch großes Lern- und Bildungspotenzial in einer dialogisch durchgeführten Bilderbuchbetrachtung sowie im Medium Bilderbuch selbst für die sprachliche und insbesondere schriftsprachliche Entwicklung steckt.
Textprobe:
Kapitel 2, Literacy eine Begriffsbestimmung:
Die Terminus Literacy besitzt ein breites Bedeutungsspektrum. Er findet beispielsweise als Metapher für eine anwendungsorientierte Grundbildung Verwendung (vgl. Nickel 2007a, S. 1). Dabei wird u.a. zwischen Mathematik-, Health-, Financial-, Scientific-, sowie Reading- und Writing-Literacy unterschieden (vgl. Nickel 2005, S. 85). Zwar sind Reading- und Writing-Literacy spezifische Formen von Literacy, doch kommt ihnen eine Schlüsselrolle für alle weiteren Formen von Literacy zu (Nickel 2007a, S. 1). Die Konzeption von Literacy ist der Vorstellung von grundlegender Bildung sehr ähnlich, nicht jedoch als Allgemein-Bildung im Sinne deklarativen Wissens [ ], sondern in pragmatischer und funktionalistischer Weise (Nickel 2005, S. 86). Die Schlüsselformen Reading- und Writing-Literacy definieren in pragmatischer Absicht grundlegende Kompetenzen, die in der Wissensgesellschaft für die individuelle Lebensbewältigung praktisch bedeutsam sind und Menschen befähigen, Lesen [und Schreiben] in verschiedenen Verwendungssituationen einsetzen zu können. Dabei werden die kulturellen Bedeutungen von Bildungsinhalten und die Entwicklung von Kompetenzen für ein selbstgesteuertes und lebenslanges Lernen betont (Hornberg et al. 2007, S. 23; Zus. v. C.K.).
Der Begriff Literacy ist nicht nur konzeptionell, sondern auch terminologisch schwer zu fassen. Im Deutschen existiert für ihn keine angemessene Entsprechung. Die Übersetzung Lese- und Schreibkompetenz greift zu kurz, denn der Begriff bezieht sich auf weit mehr als die Grundfertigkeiten des Lesens und Schreibens (Ulich 2003, S. 6). Unter Literacy wird eine komplexe und hoch entwickelte Erweiterung kommunikativer Fertigkeiten und gesprochener Sprache (Whitehead 2007, S. 61) durch die Teilhabe an der Buch-, Reim- Erzähl- und Schriftkultur einzelner Sprachgemeinschaften (vgl. Ulich 2006, S. 258) verstanden. Der Begriff Literacy umfasst damit Kompetenzen, Einstellungen und Wissen wie Interesse an Schrift, die Fähigkeit sich schriftlich auszudrücken, Vertrautheit mit Büchern sowie Schriftsprache und literarischer Sprache , Schreib- und Lesefreude, Text- und Sinnverständnis, Sprachgefühl, sprachliche Abstraktionsfähigkeit etc. (vgl. Ulich 2003, S. 6). Er impliziert Facetten der sprachlichen, schriftsprachlichen, narrativen und allgemein medialen Entwicklung (vgl. u.a. Kain 2006, S. 19).
Demzufolge schränkt die zum Teil vorgenommene wörtliche Übersetzung Literalität (vgl. u.a. Nickel 2007b) den Bedeutungsbereich des Begriffes Literacy stark ein. Der Terminus Literalität verweist nämlich ausschließlich auf die mediale Dimension der Schriftlichkeit, die konzeptionelle Dimension bleibt ausgeklammert (Dürscheid 2002, S. 61). Literacy hingegen bezieht auch den Bereich der Literarität, also die ästhetische Dimension der Ideen und Imaginationen mit ein (Nickel 2007, S. 87). Am ehesten lässt sich der Terminus durch die Bezeichnung Schriftlichkeit verdeutlichen. Koch und Oesterreicher unterscheiden sprachliche Äußerungen hinsichtlich zwei Dimensionen, der medialen und der konzeptionellen Mündlichkeit bzw. Schriftlichkeit (vgl. Dürscheid 2002, S. 48). Die mediale Dimension bezieht sich auf die Realisationsform der sprachlichen Äußerung, die konzeptionelle Dimension auf die in der Äußerung ausgewählten Ausdrucksweise (ebd.). Das Medium der Realisierung sprachlicher Äußerungen kann entweder mündlich oder schriftlich sein. Wird eine Äußerung ausgesprochen, wird sie phonisch (in Form von dynamischen Schallwellen) kodiert. Im Falle der Verschriftung liegt eine graphische Kodierung in Form von statischen Symbolen vor (vgl. ebd; vgl. Nickel 2007, S. 87). Während das Medium der Realisationsform dichotomische Merkmale trägt, ist die Konzeption, die die Äußerung prägt, gradierbar. Die jeweilige Ausdrucksweise ist zwischen den Endpunkten eines Kontinuums, dem Mündlichkeitspol und dem Schriftlichkeitspol, einzuordnen.