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Axel Klöss-Fleischmann
Transkulturelle Kunsttherapie: Der therapeutische Raum, Identität und die Auswirkungen einer Migration im psychologische
Erstauflage. 2014. 100 S. 14 Abb. 220 mm
Verlag/Jahr: DIPLOMICA 2014
ISBN: 3-9585050-6-6 (3958505066)
Neue ISBN: 978-3-9585050-6-3 (9783958505063)
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Die Begriffskonjugation Transkulturelle Kunsttherapie steht für eine Kunsttherapie, die unter Berücksichtigung kulturübergreifender Aspekte die daraus entstehenden Konsequenzen für das therapeutische Setting ableitet.
Eine solche Kunsttherapie behandelt im klinischen Kontext die direkten Auswirkungen einer Migration mit traumatischen Erlebnissen oder die Schwierigkeiten von Menschen, die sich deplatziert, fremd und unwillkommen fühlen in ihrer neuen Umgebung. Bei diesen Fällen ist der Kunsttherapeut in mehrfacher Hinsicht herausgefordert: Zum einen muss er die vielfältigen kulturellen Formen berücksichtigen und sie aus einer anderen Perspektive verstehen lernen. Und zum anderen wird er zunehmend mit den Wurzeln seiner eigenen Identität konfrontiert.
Die vorliegende Arbeit beleuchtet den vielseitigen theoretischen Hintergrund, der es ermöglichen kann, einen förderlichen kunsttherapeutischen Raum zu generieren, in dem Menschen einen guten Platz für ihre Erfahrungen finden.
Textprobe:
Kapitel 2, Heimat und Fremde:
Die Pole der Dimensionen von Heimat und Fremde zeigen sich im Leben auf verschiedenen Ebenen: Auf der einen Seite steht das Eigene , das gute und sichere Objekt. Im kulturellen Zusammenhang und in der Thematik der Migration benenne ich diesen Pol mit Heimat . Gegenüber steht die Fremde , das Exil, das Andere , ein unbekannter Ort und Zustand der Ungewissheit. In den folgenden Kapiteln möchte ich aufzeigen, wie sich diese Pole beschreiben lassen und zueinander verhalten.
2.1, Heimat :
Aufgrund beispielloser Mobilität, Völkerwanderung und Globalisierung scheint als Gegenentwurf dazu der Heimatbegriff in den Vordergrund zu rücken. Dabei ist nicht mehr nur die Verwurzelung mit einem bestimmten Ort, einer Region oder einem Land gemeint, sondern das grundsätzliche Bedürfnis nach einem Ort der Zugehörigkeit. Laut einer Statistik des Spiegel ist Heimat für 31% der Befragten der Wohnort, für 25% die Familie, für 6% die Freunde und für 11% das Land (SCHLINK, 2000, S. 23).
Etymologisch betrachtet wurde der Begriff das Hamätli , der aus dem Mittelhochdeutschen stammt, im juristischen oder geographischen Sinn benutzt, um Herkunft oder Besitz festzulegen.
Es entstand eine Ableitung zu Heimuot , was damals Haus oder Heim bedeutete. Ebenso ließ sich aber auch Heimuoti ableiten, das eine ganz andere Bedeutung hatte: Man bezeichnete damit einen Zustand der Armut und Besitzlosigkeit und das Wohnen in einer Einöde (HARTLIEB, 2004, S.6). Die minimale Wortveränderung führt zu einer innerpolaren Ausdehnung der Begrifflichkeit von Heimat . Es wird ein Bogen gespannt von den Emotionen des Wohlfühlens bis zu der Verlassenheit.
Erstmals im 15. Jahrhundert ist dann der Terminus Heimat aufgeführt. Es entstand eine Bedeutungsverschiebung, und dem Begriff wurde nach und nach ein größerer Raum zugeschrieben. Er weitete sich über das Haus bis zum Herkunftsort aus, später dann auf eine nicht klar abgegrenzte Region (HARTLIEB, 2004, S.6).
Im Deutschen Wörterbuch der Brüder Grimm wurde Heimat 1877 definiert als, das Land oder auch nur der Landstrich, in dem man geboren ist oder bleibenden Aufenthalt hat und der Geburtsort oder ständige Wohnort, (...) selbst das elterliche Haus und Besitzthum heiszt so (GRIMM, 1877, S.864f.).
In der Mitte des 19. Jahrhunderts wurde das Heimatrecht abgeschafft, das bis dahin einen Versorgungsschutz für Bedürftige bietet. Damit wurde Heimat zum Ort einer Zugehörigkeit, die weder rechtlich noch staatsbürgerlich definiert war und darum um so mehr im Vagen bleiben musste (zit. In HARTLIEB, 2004, S. 7).
Der Heimatbegriff wurde von den Nationalsozialisten in Deutschland zur Manipulation benutzt. NEUMAYER beschreibt den Vorgang der Koppelung von Heimat und Nation: die emotionale Beziehung zur direkten Lebenswelt auf das größere - und notwendigerweise abstraktere - Gebilde Staat zu übertragen, um damit den Staat zu einer persönlichen Angelegenheit zu machen. Vorgänge auf nationaler Ebene erzeugen so eine unmittelbare Betroffenheit beim einzelnen Menschen. Eine Betroffenheit, die insbesondere für den Aspekt der Landesverteidigung ausnutzbar war, denn dadurch ist die Verteidigung des Staates zu einer Verteidigung des persönlichen Hab und Gutes, des eigenen Glücks gemacht (zit. in UNI ULM, 2007).
Heimat ist in seiner historischen Entwicklung und seinen Definitionen nicht eindeutig greifbar. Im Eingangszitat verwies ich auf das Psychotop Heimat (vgl. GÖRNER, 2006). Da ich in der Auseinandersetzung mit Heimat die Vielseitigkeit und Weite dieses Begriffs kennenlernte, scheint mir die Psychotopmetapher einen treffenden Aspekt zu verdeutlichen:
Die Erfahrungen mit Menschen und Beziehungen an diesem Ort Heimat prägen die Identität und alle weiteren Beziehungen maßgeblich.
Es entspricht dem menschlichen Bedürfnis, emotionale Verbindungen mit Orten einzugehen. Man sucht und spürt seine Wurzeln an diesem Ort. Das Haus steht als Symbol für die Heimat. BO