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Carolin Wildt

Kann Morden Ehre sein? Ursachen von Ehrenmorden in Deutschland am Beispiel Hatun Sürücü


Erstauflage. 2014. 88 S. 220 mm
Verlag/Jahr: DIPLOMICA 2014
ISBN: 3-9585071-1-5 (3958507115)
Neue ISBN: 978-3-9585071-1-1 (9783958507111)

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Der Mord an der Berlinerin Hatun Sürücü durch ihren Bruder erschütterte ganz Deutschland. Anhand der Berichterstattung über die Verhandlung vor dem Berliner Landgericht analysiert diese Studie die Hintergründe und Strukturen der Tat, die exemplarisch für viele sogenannte Ehrenmorde steht. Carolin Wildt erklärt in vorliegendem Buch das Konzept des Ehrenmordes , welche Rolle die Ehre darin spielt und wie das deutsche und das türkische Recht dieses Merkmal berücksichtigen. Sie erläutert, warum patriarchale Familienstrukturen, ein problematisches Ehrverständnis und Integrationsschwierigkeiten mögliche Gründe für einen Ehrenmord darstellen und wie Änderungen in Politik und Sozialarbeit die Zahl der Morde verringern könnten.
Textprobe:
Kapitel 3., Die Verbreitung von Ehrenmorden:
3.1, Die weltweite Verbreitung von Ehrenmorden:
Laut BKA (vgl. BKA 2006, 4) ereignen sich Ehrenmorde vor allem in traditionellen patriarchalischen Gesellschaften auf dem Lande. Das Vorkommen beschränkt sich nicht nur auf islamische Länder. Ehrenmorde sind auch unter Christinnen und Christen, etwa im Libanon, Syrien und Europa verbreitet. In Deutschland gibt es Ehrenmorde vor allem in Migrantenfamilien in Großstädten und Ballungszentren mit hohem muslimischen Einwohneranteil (BKA 2006, 4).
Laut UN- Weltbevölkerungsbericht [UNFPA] aus dem Jahr 2000 (vgl. Böhmecke 2004, 10) werden jährlich 5000 Mädchen und Frauen weltweit Opfer von Ehrenmorden. TERRE DES FEMMES 8 (vgl. TERRE DE FEMMES (Hrsg.) 2005, 10 f.) benennt einzelne Länder, in denen Ehrenmorde vorkommen. Demnach werden laut UN- Weltbevölkerungsbericht aus dem Jahr 2000 Ehrenmorde in folgenden Ländern begangen: Spanien, Deutschland, Frankreich, Serbien und Montenegro, Schweiz, Österreich, Albanien, Griechenland, Libanon, Syrien, Irak, Saudi- Arabien, Jemen, Iran, Afghanistan und Pakistan. Hinzu kommen folgende Länder, in denen nach Zeitungsrecherchen der Organisation auch Ehrenmorde begangen werden: Brasilien, Ecuador, Uganda, Marokko, Ägypten, Großbritannien, Schweden, Italien, Türkei, Israel, Indien und Jordanien.
3.2, Die Situation in Deutschland:
Für Deutschland existierten bis Anfang 2006 keine gesicherten Angaben zur Zahl von Ehrenmorden.
Die Kriseneinrichtung PAPATYA verzeichnete in ihrer Materialsammlung: Verbrechen im Namen der Ehre in Deutschland im Zeitraum von 1996 bis 2005 in Deutschland (vgl. Papatya, 2005, 5 f.) 53 Ehrenmorde. Bei Opfern und Tätern handelte es sich zu 77% um Personen türkischer Herkunft (vgl. TERRE DE FEMMES 2005, 22).
Am 19. Mai 2006 gab das Bundeskriminalamt eine Presseinformation zu den Ergebnissen einer Bund- Länderabfrage zum Phänomenbereich Ehrenmorde in Deutschland heraus (vgl. BKA 2006, 9 ff.).
3.3, Bund- Länderabfrage des Bundeskriminalamtes:
Demnach gab es in den Jahren 1996 bis 2004 55 Fälle von versuchten und tatsächlich erfolgten Ehrenmorden.
Da es in einigen der Fälle mehrere Opfer zu verzeichnen gab, handelte es sich im genannten Zeitraum um 48 vollendete und 22 versuchte Tötungsdelikte. Die Erhebung soll im Folgenden dargestellt werden.
3.3.2, Opfer:
Insgesamt waren demnach 70 Opfer zu verzeichnen, dabei waren 48 weiblichen [=68,6%] und 22 männlichen [=31,42%] Geschlechts. Frauen sind also, wie schon vermutet, von Ehrenmorden tatsächlich deutlich stärker betroffen.
Zu 78,6% handelte es sich um erwachsene Opfer [21 Jahre und älter], zu 10% um heranwachsende Opfer [18 bis unter 21 Jahre], zu 7,1% um Jugendliche [14 bis unter 18 Jahre], 2,9% waren Kinder [6 bis unter 14 Jahren] und 1,4% Ungeborene. Die meisten Opfer von Ehrenmorden waren Türkinnen und Türken mit 51,4%, Deutsche mit 25,7% und zu 8,6% waren die Opfer serbischer, montenegrinischer bzw. ehemals jugoslawischer Nationalität.
3.3.3, Tatverdächtige:
Entgegen der von den Medien oft vertretenen These, der Täter sei meist der jüngste, minderjährige Sohn, weil bei ihm die Möglichkeit bestünde, dass das mildere Jugendstrafrecht Anwendung fände, bestätigen dies die Zahlen des BKA keinesfalls (vgl. BKA 2006, 13 f.).
So handelte es sich bei 81,4% der Tatverdächtigen um Erwachsene, 11,4% waren Heranwachsende, 5,7% Jugendliche und nur bei 1,4% der Tatverdächtigen handelte es sich um Kinder.
Dabei waren 94,3% männliche Täter und 5,7% weibliche Täterinnen. Dies bestätigt die Annahme einer besonders hohen Tatbeteiligung von Männern. Die Gründe lassen sich durch die männliche Aufgabe in Bezug auf Erhaltung der Ehre in der Familie leicht erklären, dazu mehr in den folgenden Kapiteln.
Die Tatverdächtigen sind zu 71,4% türkischer Nationalität. Der große Anteil von Tatverdächtigen türkischer Staatsangehörigkeit ergibt sich unter anderem auch aus dem überdurc