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Stand: 2020-02-01
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Alexandra David-Neel, Eva Moldenhauer, Alexandra David- Neel (Beteiligte)

Im Herzen des Himalaya


Unterwegs in Nepal. Vorw. v. Susanne Gretter
Übersetzung: Moldenhauer, Eva
2015. 207 S. 22 cm
Verlag/Jahr: EDITION ERDMANN 2015
ISBN: 3-7374-0020-2 (3737400202)
Neue ISBN: 978-3-7374-0020-6 (9783737400206)

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Auf Einladung des Maharadschas von Katmandu reiste Alexandra David-Néel im Winter 1912/1913 nach Nepal, ein für Europäer damals noch verbotenes Land. Eine "nützliche Einführung" wollte sie anschließend schreiben, die politische Bestandsaufnahme eines Landes, das sich zwischen Tradition und Modernität neu definieren musste - einer "Modernität", wie die unter britischem Protektorat stehenden Nachbarländer Indien und Tibet sie bereits zeigten. Und einer "Tradition", wie sie sich im abgeschiedenen Nepal noch lange hielt. Witwenverbrennung, politische Klassen und Kasten, urtümliche Opferrituale - die aufgeklärte Journalistin wirft einen kritischen Blick auf diese Gesellschaft. Aber ihr Bericht aus dem Herzen des Himalaya ist weit mehr als eine politische Bestandsaufnahme: es ist die faszinierende Geschichte einer Buddhistin, die, auf der Suche nach dem Geburtsort Siddharthas, in den duftenden Gärten von Lumbini wandelt, auf Buddhas Spuren heilige Stätten und verbotene Tempel aufsucht, die "Lüfte des göttlichen Himalaya" lieben lernt, dem Geheimnis einer blauleuchtenden Lotosblüte nachspürt, und mit Hilfe ihrer buddhistischen Weisheit und Meditation todesmutig einen menschenfressenden Tiger zähmt. "Im Herzen des Himalaya" berichtet von Reisen in eine mystische, religiöse Welt und ist ein brillanter Führer durch die vielschichtige religiöse Kultur eines Landes, das auch noch heute voller Zauber, Wunder und Geheimnisse steckt. Spannend und fesselnd bis zur letzten Seite.
Während ich zu Abend esse, macht Passang mein Feldbett zurecht. Zwar fehlt es in dem Haus, in dem ich mich befinde, nicht an Betten, aber es widerstrebt mir, ein Bett zu benutzen, in dem andere geschlafen haben. Nebenbei weise ich daraufhin, dass mein Widerwille in dieser Beziehung dazu beigetragen hat, mir die Achtung der Hindus reiner Kasten zu erwerben, doch gleichzeitig muss ich erwähnen, dass sie selbst ihre alten Regeln weniger streng befolgen. Am nächsten Tag breche ich nach einem leichten Frühstück - zwei Eier und zwei Bananen - im Morgengrauen auf. Ein Aufbruch ist stets die Verheißung eines Abenteuers, und als solches begrüße ich dieses, das mich in ein Land führen soll, in das zu reisen ich nie geplant hatte. Ein weiteres Mal hatte das maliziöse Schicksal es unerwartet übernommen, mich zu lenken, wohin es wollte. Das für mich bestimmte Beförderungsmittel ist ein Bett. Nun ja, ein Bett nach indischer Art, das heißt ein Gestell mit sehr niedrigen Beinen, das mit Gurten bespannt ist; auf diese breite ich mein Bettzeug aus: eine Matte und Decken. An den vier Ecken dieses Bettes angebrachte Bambusstangen tragen ein Leinwanddach, von dem Vorhänge herabhängen. Das Ganze ähnelt einem Moskitonetz mit dem Unterschied, dass der Stoff nicht Tüll, sondern ein Baumwollgewebe ist. Dieses Dach und die Vorhänge werden mich vor der Sonne schützen und mich abschirmen, falls ich unterwegs schlafen möchte. Man hat mich wissen lassen, dass die Etappe lang sein wird. Zwar wirkt das leichte Schaukeln, in das die Träger mein Lager versetzen, durchaus einschläfernd, aber für den Augenblick bin ich "ganz Auge". Ich halte die Vorhänge offen und betrachte die Landschaft und die wenigen Vorübergehenden. Als ich tags zuvor bei ruhigem Wetter in Digha Ghat den Ganges überquerte und ein blasser Himmel die Dinge mit zartem Licht umhüllte, hatte ich das Gefühl freudiger Erleichterung; mir war, als fielen schwere Kleider, die mich einzwängten, von mir ab, sodass ich frei atmen konnte. Ein mehrmonatiger Aufenthalt in Kalkutta und die Lebensweise, zu der ich dort gezwungen war, auch wenn ich Geselligkeiten mied, hatten mich angestrengt. Jetzt aber jauchzt die geborene Wilde, die ich bin, in der Vorahnung des nahen Dschungels. Doch im Dschungel sind wir noch nicht. Wir folgen einer langen, von bestellten Feldern gesäumten Straße in der Ebene; es ist die Fortsetzung der eintönigen Landschaft, durch die ich mit der Eisenbahn in den vorangegangenen Tagen gefahren bin. Aber im Norden erscheinen, sehr ferne, die schneebedeckten Gipfel des Himalayas, meiner alten, verehrten Freunde: ich begrüße sie mit Inbrunst.