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Neuerscheinungen 2015

Stand: 2020-02-01
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Markus Walther

Beatrice - Rückkehr ins Buchland


1. Aufl. 2015. 284 S. 20.5 cm
Verlag/Jahr: ACABUS 2015
ISBN: 3-86282-401-2 (3862824012)
Neue ISBN: 978-3-86282-401-4 (9783862824014)

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"Sie wusste um das mächtige Eigenleben des geschriebenen Wortes, wusste um die Magie, die die Realität um die Fiktion krümmte, wie das Weltall den Raum um die Masse."

Eigentlich müsste Beatrice zufrieden sein. Sie hat das Antiquariat von Herrn Plana übernommen, ihr Mann ist wieder gesund und der Verlag wünscht sich ein neues Manuskript. Alles scheint in
geordneten Bahnen zu laufen. Doch dann taucht der kuriose Ladenbesitzer Quirinus auf, der ihr ein Angebot macht, das sie einfach nicht ablehnen kann. Gemeinsam machen sie sich auf den Weg zurück in die tiefsten Regionen des Buchlands.
Gedanken aus Papier

Die Welt legte wieder ihr Gewand aus Buchstaben an. Schwarze Lettern, die auf weißem Papier die Geschicke der Menschen formten. Nicht greifbar und doch fühlbar sangen die Worte im Konzert der Gefühle, entfalteten ihre spezielle, lautlose Magie.
Und schon ließ Beatrice ihre Realität hinter sich zurück, vergaß das kleine Zimmer, die staubigen Möbel und das Bett, auf dem sie lag. Sie folgte den Zeilen, ließ sich führen und verführen, trieb selbstverloren in den fast vergessenen Gedanken einer Träumerin, die einst zu Stift und Papier gegriffen hatte.
Es war, als würde sie nach Hause kommen, denn sie kannte den Text, hatte ihn wieder und wieder gelesen, ihn in sich aufgenommen, bis ins letzte Detail zu begreifen versucht. Ja, versucht. Aber nie hatte sie es geschafft.
Auf dem Cover stand Buchland. Einen treffenderen Titel hätte es nicht haben können, denn diese Geschichte, die zwischen dem Einband gefangen war, handelte von einem Land voller Bücher. Aber genauso gut hätte das Buch auch Beatrice heißen können, denn diese Geschichte, die manchmal aus dem hellbraunen Einband entfliehen wollte, handelte ebenso von Bea. Das war schwer zu begreifen. Insbesondere, weil sie selbst jene Träumerin gewesen war, die das Buch nach einer wahren Begebenheit geschrieben hatte. Eine wahre Begebenheit, die erst durch dieses Buch wahr geworden war.
Darüber nachzugrübeln war, als ob man sich das eigene Hirn verknotete. Es kam ihr vor wie diese Bilder, in denen die Perspektive dem Betrachter einen Streich spielte: eine Treppe, die rechteckig verlief und nicht an Höhe gewann, weil sie in sich geschlossen war. Vielleicht war es aber auch nur eine Schlange, die sich selbst in den Schwanz biss.
Auf dem Nachttisch lag ein Brief. Der Briefkopf war schlicht gehalten: Adressat, Absender, Betreff. Darunter ein paar freundliche, auffordernde Zeilen der Verlegerin. Nach zwei Jahren dürfe man doch endlich mit der erhofften Fortsetzung rechnen.
Nein, durfte man nicht. Beatrice war sich sicher, dass sie keine Fortsetzung von Buchland schreiben wollte. Diese Geschichte war abgeschlossen. Es war alles erzählt. Und nur des bisschen Geldes wegen, würde sie sich nichts aus den Fingern saugen. Außerdem ...
Außerdem fiel ihr diesbezüglich auch gar nichts ein.
Also schrieb sie keine neuen Kapitel in das Buchland. Sie schlug nur die alten wieder und immer wieder auf, ließ auf diese Weise abermals die vergangenen Geschehnisse Revue passieren. Sie durchwanderte nochmals die endlosen Gänge zwischen den Bücherregalen, ritt auf Pegasos, parlierte mit Goethe und besuchte die Kammer der ungeschriebenen Bücher.
Manche dieser gedruckten Erinnerungen lasteten schwer. Sie drückten auf ihren Brustkorb, schnürten ihr die Luft ab. Es war, als würde ein Gewicht ...

"Bea", flüsterte jemand, "Bea. Du bist schon wieder beim Lesen eingeschlafen."
Benommen blinzelte Beatrice, strampelte und zappelte dabei ein wenig. Mit einem leisen Rascheln und einem anschließenden plumpsenden Geräusch fiel das Buch von ihrem Oberkörper. "Was´n?" Ach ja, sie lag im Bett.
Die Matratze knarzte etwas, als sie sich schlaftrunken aufrichtete. Traumwelt, Buchwelt und das wirkliche Leben reichten einander gerade die Hände, grüßten sich höflich, nur um nach ein paar Minuten wieder getrennte Wege zu gehen.
Beatrice stand auf, ging die zwei Schritte zum Fenster, öffnete es weit und sog die kühle Luft des Morgens ein. Auf der dunklen Innenseite ihrer geschlossenen Augenlider tanzten bunte Flecken im Takt der Sonnenstrahlen.