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Neuerscheinungen 2015

Stand: 2020-02-01
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Anne Chavez

Bis ins dritte und vierte Glied


2015. 344 S. 210 mm
Verlag/Jahr: COCON VERLAG 2015
ISBN: 3-86314-286-1 (3863142861)
Neue ISBN: 978-3-86314-286-5 (9783863142865)

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Wie kommt es, dass unsere Eltern nicht nur unsere Vorbilder für gelingendes Leben sind, sondern dass wir auch ihre Irrtümer und Lebenslügen wiederholen? Und wirken diese Fehler tatsächlich bis in die dritte und vierte Generation? Haben unsere Kinder und unsere Enkel noch unter unseren Fehlentscheidungen zu leiden?
Von diesen Fragen handelt das Buch. Mit Ende vierzig findet sich Micha in der Psychiatrie wieder, weil er gewalttätig gegen seine Mutter geworden ist. Es ist eine Kurzschlusshandlung, verursacht durch schmähende Bemerkungen der Mutter über Michas Vater. Auf einmal liefern die Kränkungen seiner Kindheit und Jugend, seine damalige Verstrickung in einem Netz aus Lüge und Heimlichkeit die Energie für diesen Ausbruch. Mit dem Messer will er nun endlich den längst verstorbenen Vater verteidigen, denn als Jugendlicher war er noch gefangen in seiner Abhängigkeit als Vertrauter und Geheimnisträger der Mutter.
Michas ins Erwachsenenalter verschleppte Probleme lassen seine Tochter, die er zeitweise alleine erzieht, nicht unberührt. Trotz allen guten Willens, es besser zu machen als die Eltern, trifft er fragwürdige Entscheidungen im Kampf mit der Ehefrau um Einfluss auf die Tochter und ihre Zuneigung.
Micha versucht trotz seelischer Bedrängnis ein erfolgreiches Leben, was nur teilweise gelingt, weil zwei gescheiterte Ehen ihren Preis an seelischer Kraft verlangen. Schon mit dem ersten Satz des Romans wird klar, dass er sich seiner Realität stellen muss, dass nicht weiter Lüge und Hass sein Leben vergiften sollen, dass er sich von Gewissensnöten und Loyalitätskonflikten befreien muss. Der Aufenthalt in der Psychiatrie schafft Gelegenheit, eine Neubewertung seines Lebens vorzunehmen und so die Weichen für eine befriedigendere Zukunft zu stellen.
Anne Chavez beschreibt ein spätes Erwachsenwerden, eine Suche nach Auswegen aus Abhängigkeit und Gewissensqualen. Sie findet Bilder für unser aller Dilemma, dass wir die Geschichte unserer Familie nicht einfach abstreifen können, sondern die Themen auf unsere Weise weiterleben und damit die nächste Generation weiter einbinden in das Familiengewebe. Es gelingt der Autorin zu zeigen, dass auch ein schwieriges Leben nicht ohne Glanz- und Höhepunkte ist.
Es war Micha deshalb unangenehm, in der Werkstatt bei der Stoffbearbeitung zu helfen. Dabei hatte es eine Zeit gegeben, als er acht oder neun war, da hielt er sich gern beim arbeitenden Vater auf. Ja, damals liebte er all die farbenprächtigen, weich fließenden Stoffe, den satten Duft neuer Textilien, deren Namen, wie etwa Damast, Chiffon und Tweed, dem Kind von fernen Reisen und Abenteuern sprachen und nicht von seelenlosen
Maschinen in kalten Fabrikhallen, in denen Frauen und Männer schuften mussten.
Er beobachtete gern, wie der Vater oder eine Hilfskraft mit der kleinen, abgerundeten Stoffschere quer durch den Stoff ratschten. Er lauschte den unterschiedlichen Geräuschen, die dabei entstanden, je nachdem, welcher Stoff zerschnitten wurde. Er betrachtete, wie die Fäden sich an den Schnittstellen lösten und stellte sich vor, dass es ihnen leidtäte, nicht mehr zum Gewebe zu gehören.