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Nanae Aoyama, Katja Busson
(Beteiligte)
Eigenwetter
Roman
Übersetzung: Busson, Katja
1. Aufl. 2015. 160 S. 21 cm
Verlag/Jahr: CASS 2015
ISBN: 3-944751-05-1 (3944751051)
Neue ISBN: 978-3-944751-05-4 (9783944751054)
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Chizu ist zwanzig. Ihr Leben scheint ihr sinnlos und leer. Studieren will sie nicht. Als ihre Mutter einen Job in China annimmt, geht sie nach Tokyo und zieht bei der einundsiebzigjährigen Ginko ein, einer entfernten Verwandten. Doch die alte Frau hat keineswegs, wie Chizu glaubt, nur noch den Tod vor Augen. Sie ist lebenslustig und auf ihre Art weise. Ein Jahr des Zusammenlebens beginnt, ein bisschen boshaft, ein bisschen unsicher. Man siezt sich, man duzt sich. Und fängt an, sich zu verstehen.
Anscheinend hatte Ginko sich doch verliebt.
Sie schminkte sich. Da sie einen hellen Teint hatte, stand ihr rosafarbener Lippenstift und dergleichen sehr gut. Ihr Haar war ordentlich gebunden. Und seit kurzem trug sie auch keine Kittelschürze mehr, sondern kurzärmelige geblümte Kleider oder ähnliches. Ich hatte zwar keinen Schimmer, was unter alten Frauen modisch angesagt war, aber Ginko gab sich Mühe, soviel stand fest. Selbst an Tagen, an denen sie nicht ausging, machte sie sich schick.
Und ich? Da es seit Beginn der Regenzeit jeden Tag schüttete, schob ich Frust und wurde immer fieser. Ich glotzte Ginko, die sich so herausgeputzt hatte, so lange stumm an, bis sie es merkte und mich argwöhnisch musterte.
"Dafür, dass es keiner sieht, gibst du dir aber ganz schön Mühe."
"Na und? Ich kann mich doch schön machen."
"Ja. Schön bist du."
"Findest du ...?"
Manchmal war ich über meine Boshaftigkeit selbst überrascht. Ich spazierte absichtlich in Hemd und Höschen herum und stellte meine jugendliche Haut zur Schau, was mir allerdings nicht den erhofften Kick gab. Je mehr Ginko sich ins Zeug legte, desto schlechter wurde meine Laune, warum auch immer. Ich hatte große Lust, ihre Bemühungen, sich schön zu machen, zu sabotieren, wo ich nur konnte.
Ich weiß nicht, ob sie mich durchschaut hatte, aber mittlerweile traf sie ihre Vorbereitungen fürs "Schönerwerden", wenn ich schlief oder unterwegs war. Sobald ich das Wohnzimmer betrat, trank sie ganz nonchalant einen Café au lait oder so, als hätte sie noch nie etwas anderes gemacht.
"Richtig jung."
"Wer? Ich?"
"Ja, jung. Viel jünger als ich. So jung wär ich auch gern."
Beleidigt verzog Ginko das Gesicht, als wollte sie sagen, was für ein Quatsch. Offenbar war ihr nicht entgangen, dass ich mich über sie lustig machte. Obwohl sie mir einerseits ein bisschen leid tat, bekam ich andererseits noch mehr Lust, sie zu triezen.
"Sag mal, dieser Hosuke, ist das nun dein Tanzpartner oder was?"
"Genau, mein Tanzpartner."
"Der tanzt? Scheint mir aber recht wacklig auf den Beinen zu sein ... Seine Haare sind auch schon ziemlich zauselig."
"Er ist ein guter Tänzer."
"Ah echt? Puh, auf so einsame Herzen, die sich an den Händen fassen, kann ich gut verzichten ..."
"Herr Hosuke ist ein ganz lieber."
"Der und lieb? Zu mir ist der überhaupt nicht lieb."
"Er gehört zur alten Schule. Die jungen Leute sind ihm ein bisschen zu schrill."
"Ich? Schrill? Aha, verstehe. Das ist wohl die Jugend, hahaha ..."
Nanae Aoyama wurde 1983 in Saitama geboren. Ihr schriftstellerisches Debüt gab sie 2005 mit der Novelle Mado no akari (Licht im Fenster), für das sie mit dem Bungei-Literaturpreis ausgezeichnet wurde. Es folgten weitere Veröffentlichungen und Preise, darunter 2007 der Akutagawa-Preis für Eigenwetter.