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Neuerscheinungen 2015

Stand: 2020-02-01
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Susann Sulzbach

Das Tourette-Syndrom im sprachheilpädagogischen Kontext: Ein Überblick für Lehrer, Erzieher und Eltern


Erstauflage. 2015. 140 S. 220 mm
Verlag/Jahr: DISSERTA 2015
ISBN: 3-9542589-2-7 (3954258927)
Neue ISBN: 978-3-9542589-2-5 (9783954258925)

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Das Tourette-Syndrom ist für die Betroffenen mehr als eine Herausforderung. Gleiches gilt für das Umfeld. Auch im schulischen Kontext sind den Besonderheiten des Syndroms Rechnung zu tragen.
Mit diesem Buch soll Lehrern, Erziehern, Eltern und Interessierten ein Überblick zu Symptomen, Begleiterscheinungen und Ursachen gegeben werden. Besonderes Augenmerk wird auf die sprachlichen Aspekte der Erkrankung gerichtet. Darüber hinaus werden diagnostische Ansätze und Behandlungsmöglichkeiten kurz umrissen.
Einen Schwerpunkt bildet die Betrachtung und möglicher Interventionen betroffener Kinder im Schulalltag. Ein Fallbeispiel gibt einen knappen praxisnahen Einblick in das Spannungsfeld Tourette und Schule.
Textprobe:
Kapitel 5, Krankheitsverlauf:
Das TS beginnt in der Regel zwischen dem 2. und 15. Lebensjahr (vgl. ROTHENBERGER 1991, S. 11), nach Angaben des DSM-IV (1998) beträgt das durchschnittliche Alter bei Beginn 7 Jahre, es sind aber auch Fälle von Einjährigen bekannt, die die entsprechende Symptomatik aufwiesen (vgl. DSM-IV 1998, S. 142). ROTHENBERGER vermutet dafür Reifungsprozesse im Gehirn, die etwa um das 7. Lebensjahr eine erhöhte Entwicklung erfahren. Das Kind muss mit jenen neuen zentralnervösen Voraussetzungen eine Wieder-Einweichung seines ZNS auf die Umweltgegebenheiten bewältigen (ROTHENBERGER 1991, S. 13). Meiner Ansicht nach liegt hier seitens Eltern, Lehrern etc. die Gefahr nahe, das Kind habe dieses plötzliche Augenblinzeln als nervöse Reaktion auf die gerade eben stattgefundene Einschulung. Anpassungsschwierigkeiten, Übergangsprobleme, Leistungsüberforderung könnten als vorläufige Erklärungsversuche dienen.
Das Tourette-Symptom bleibt meist ein Leben lang bestehen, wobei der Verlauf oft unvorhergesehen fluktuiert und auch Phasen der Ticfreiheit auftreten. Man kann beim Tourette-Syndrom dennoch von einer chronischen Erkrankung ausgehen. ERENBERG begleitete Kinder von 1977 an, um Aussagen zum langzeitigen Verlauf treffen zu können. 1983 wurden Fragebögen verschickt, mit deren Hilfe festgestellt werden sollte, ob sich die Symptomatik mit Eintritt in das Jugend- bzw. Erwachsenenalter verändert hatte. Die Studie ergab, dass sich bei 47% der Patienten die Tics im Laufe der Zeit erheblich verringert hatten, 26% berichteten, dass ihre Tics fast verschwunden waren. Die Verbesserung trat zwischen dem 10. und 20. Lebensjahr ein, am häufigsten wurde eine Besserung um das 16. Lebensjahr festgestellt. Bei 27% blieben die Tics unverändert oder hatten sich sogar verschlimmert (vgl. ROTHENBERGER 1991, S. 41). Gegensätzliche Angaben zum Verlauf während des Jugendalters machen MÜLLER-VAHL und ROTHENBERGER in einem Leitfaden für Lehrer. Dort ist von einer Symptomverstärkung in der Pubertät die Rede (vgl. MÜLLER-VAHL/ ROTHENBERGER 1997, S.12, Online im Internet). Zur Verbesserung der Ticsymptomatik im Erwachsenenalter stellen ROTHENBERGER und SCHOLZ die These auf, dass mit zunehmendem Alter die Empfindlichkeit des Dopaminsystems in den Basalganglien abnimmt (vgl. SCHOLZ/ BANASCHEWSKI 2001, S. 123).
Der Verlauf ist - wie jeder Tourette-Patient und seine jeweilige Symptomatik - sehr individuell. Die Krankheit beginnt meist mit einfachen (motorischen) Tics, die sich später zu komplexen Formen ausweiten. Zunächst sind Körperteile in Gehirnnähe (z.B. Augen und Gesicht) betroffen, eine Ausweitung auf periphere Körperbereiche wie Hände und Füße schließt sich an (vgl. THIELE 2000, S.186). Es bestehen Vermutungen, dass sich die Tics verändern, wenn auch ein Wandel der Lebensumstände stattfindet (vgl. THIELE 2000, S. 186), z.B. das Beenden einer Beziehung oder das Verlassen des elterlichen Haushalts. Der im Zusammenhang mit den Lebensveränderungen auftretende Stress, z.B. auch bei der Einschulung, können die Symptomatik verstärken, während Phasen der Ruhe und ein stabiles soziales Umfeld, z.B. Ferien oder der häusliche Halt durch die Familie, zu einer Symptomreduktion führen können (vgl. MÜLLER-VAHL/ ROTHENBERGER 1997, S. 12, Online im Internet). Da Kinder bzw. Tourette-Betroffene generell versuchen, Tics in der Öffentlichkeit soweit es geht zu unterdrücken, kann allerdings auch genau das Gegenteil eintreten, nämlich, dass sich zu Hause im vertrauten Umfeld die Tics geradezu explosionsartig entladen, weil der Betroffene an dem für ihn sicheren Ort keine Konsequenzen zu fürchten hat. Die bedingte Möglichkeit des Unterdrückens der Tics hat vielfach die Diskussion um die Willkürlichkeit und Unwillkürlichkeit der Symptome aufflammen lassen. Betroffene können ihre Tics Sekunden, Minuten oder sogar Stunden unterdrücken oder in Form anderer Bewegungen umlenken, indem sie sich auf ander