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Klaus Walter
Erziehen ist eine Kunst. Gestaltpädagogik in der Jugendhilfe
2015. 168 S. 226 mm
Verlag/Jahr: DISSERTA 2015
ISBN: 3-9542596-4-8 (3954259648)
Neue ISBN: 978-3-9542596-4-9 (9783954259649)
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Gestaltpädagogik adaptiert die Erkenntnisse der Gestalttheorie und die Erfahrung der Gestalttherapie an pädagogische Erfordernisse. Dieses Fachbuch wendet sich an PädagogInnen und TherapeutInnen aus der Jugendhilfe, die an ganzheitlichem Lernen und Erleben ihres Berufes interessiert sind. Es sucht den Spagat zwischen der Information über die Inhalte von Gestaltpädagogik für die Jugendhilfe und der Werbung für die Teilnahme an selbsterfahrungsorientierter Fortbildung. Dabei kommt es immer wieder zu dem Schluss, dass die angebotene Theorie alleine nicht genügt, sondern um ganzheitliches Erleben ergänzt werden muss. Dies mündet in der Erkenntnis, dass Erziehen im Grunde keine Wissenschaft ist, sondern eine Kunst.
Textprobe:
Kapitel 4.1. Bezug zur Gestalttherapie:
Die Gestalttherapie hat ihre Wurzeln in der humanistischen Psychologie. Auf die gleichen humanistischen Grundlagen bauen noch eine ganze Reihe weiterer psychotherapeutischer Verfahren und Methoden auf. Ihnen gemeinsam sind eine am Menschen orientierte Denk- und Erlebensweise, was unter anderem bedeutet, dass der Mensch als eine Einheit von Denken, Fühlen und Verhalten verstanden und jeder Organismus als Bestandteil eines Feldes oder Systems mit komplexem Bedingungsgefüge angesehen wird.
Der Begriff Gestalt stammt aus der experimentellen Wahrnehmungs- und Erkenntnispsychologie der Berliner Schule der Gestaltpsychologie von Max Wert-heimer, Kurt Koffka, Lewin und Goldstein, die verschiedene Wahrnehmungsphänomene erforschten und formulierten. Hierzu gehört unter anderem die Beobachtung, die der Gestalttherapie ihren Namen gab, das Gestaltphänomen:
Menschen neigen dazu, visuelle Eindrücke so zu organisieren, dass sie eine sinnvolle Einheit, eine Gestalt bilden.
Der deutsche Arzt und Psychotherapeut Fritz Perls erkannte, dass die Ergebnisse und Schlussfolgerungen dieser Gestaltpsychologie nicht nur für die Wahrnehmung, sondern für das gesamte menschliche Erleben Relevanz haben. Er übertrug sie darum auf seine psychotherapeutische Arbeit und legte so den Grundstein für die Gestalttherapie.
Fritz Perls hat zumeist in den USA gearbeitet, nachdem er wegen seiner jüdischen Abstammung aus dem nationalsozialistischen Deutschland flüchten musste. Hier hat er zusammen mit anderen Therapeuten humanistischer Orientierung in Esalen eine Stätte kreativen Schaffens ins Leben gerufen, von der über viele Jahre hinweg die Entwicklung von Therapie- und sozialen Arbeitsformen ausging. Mit dieser Entwicklung verbinden sich Namen wie Ruth Cohen, Ida Rolf (Rolfing), Laura Perls, Paul Goodman, Jacob Moreno (Psychodrama) und viele mehr. Sie haben zusammen mit Perls erheblich zur sogenannten New-age-Bewegung beigetragen.
Perls und auch alle anderen mir bekannten Gestalttherapeuten haben die Gestalttherapie nie als isolierte Technik oder Psychotherapieform betrachtet. Vielmehr haben sie gerade auf das Wachstum des Ansatzes gesetzt, der hierfür auch aus anderen Konzepten Erfahrungen und Inhalte schöpft. Sie haben teils sehr pragmatisch verschiedene Psychotherapieformen und -methoden integriert, gemäß dem Gestaltprinzip, dass das Ganze mehr ist, als die Summe seiner Teile. Wegen dieser Integration wird heute auch vielfach von integrativer Gestalttherapie gesprochen. Des Weiteren wurde die Entwicklung auch durch Ansätze phänomenologischen und existentialistischen Denkens befruchtet, wie sie sich in fernöstlichen Philosophien finden. Beim Transfer von Gestalttheorie und Gestalterleben in andere als sozialwissenschaftliche Bereiche entstand ebenfalls ein gegenseitig fruchtbarer Austausch, wie durch die Berücksichtigung anderer Wissenschaften, wie zum Beispiel astrophysikalischer Theorien durch Stemmler und Bock . Manche dieser Integrationsversuche gewannen keine Kraft, führten in eine Sackgasse und wurden wieder aufgegeben. Manche wurden aber auch als Esoterik kritisiert und verworfen.
Schon im Laufe seiner frühen psychotherapeutischen Arbeit erkannte der psychoanalytisch gebildete Perls, dass ein Mensch Kraft und Motivation zu seiner Entwicklung oder zur Heilung seiner Persönlichkeit aus der bewussten Wahrnehmung der Gegenwart schöpft. Er postulierte das Grundprinzip, dass die The-rapie permanent auf das Erleben im Hier-und-Jetzt zurückgreifen müsse. Perls Versuche, seine Ideen in die Psychoanalyse einzubringen, wurden von Sigmund Freud zurückgewiesen, so dass er sich zunehmend distanzierte und seinen eigenen Weg ging.
Die Gestaltprinzipien:
Der Gestalttherapeut oder Gestaltpädagoge arbeitet mit dem Prinzip des permanenten Erlebens im Hier-und-Jetzt indem er seine eigene Wahrnehmung und die Wahrnehmung des Menschen dem er hilft, immer wieder auf die Gegenwart lenkt.