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Neuerscheinungen 2015

Stand: 2020-02-01
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Bianca Schlosser

Warten auf Lohengrin


Ein Leben zwischen Ötlingen und Dresden
1. Aufl. 2015. 200 S. 21 cm
Verlag/Jahr: KINZEL 2015
ISBN: 3-9554404-5-1 (3955440451)
Neue ISBN: 978-3-9554404-5-9 (9783955440459)

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Ein Leben in der Großstadt mit all ihren kulturellen Angeboten, dies ist der Traum von Elsa, die in einem schwäbischen Dorf in bäuerlichen Verhältnissen aufwächst.
Doch zwei Weltkriege bestimmen ihr Schicksal. Mit Mut und Stärke kämpft sie sich und ihre Familie durch schwere Zeiten.
´In Ötlingen geht alles seinen gewohnten Gang. Die Tage sind mit Arbeit angefüllt und ich habe keine Zeit, mir Gedanken zu machen, was in der Welt geschieht.
Früh am Morgen stehe ich an der Zentrifuge, die ich auch bedienen kann, und mache Butter aus der Milch unserer fünf Kühe, die im Stall neben der Wagnerei stehen. Es sind gute Milchkühe, die viel Milch geben.
Die Linda ist von allen die Beste. Ich denke immer wieder gerne daran, wie sie im letzten Jahr prämiert wurde und später, im Oktober beim Erntedankfest, als sie reich mit bunten Bändern und Blumen geschmückt den Umzug anführen durfte. Da war ich mächtig stolz!

Zu den Hühnern muss ich täglich, um Futter auszustreuen und die Eier einzusammeln. Auf der anderen Straßenseite, etwas abseits der Kirche, steht unser Hühnerstall auf einem kleinen umzäunten Grundstück, wo die Hühner ihren Auslauf haben. Dorthin trage ich eine Schüssel aus Emaille mit Getreide-Körnern.
Bald ist schon Mittag. Ich sollte jetzt in den Keller gehen und kühlen Most aus dem Fass in die Kanne füllen, der in den Korb zum Brot kommt. Es ist höchste Zeit, dass ich mich auf den Weg mache und den Korb aufs Feld bringe, damit sich die Eltern und ihre Helfer in der kurzen Pause etwas stärken können.
Ich bin ja schon froh, wenn ich das Vesper bringen darf und nicht zur Heuernte eingesetzt werde. Lieber mache ich feinere Arbeiten, wie Nähen oder Blumen-pflanzen, oder natürlich Singen im Kirchenchor. Musik ist überhaupt das Schönste, was es auf der Welt gibt!
Wenn ich daran denke, dass ich meinen Eltern als ihr einziges Kind keine große Hilfe sein kann, überkommen mich schon manchmal Gewissensbisse. Weil ich außer meinem krummen Rücken auch noch einen Herzfehler habe, werde ich schnell kurzatmig; nur will das keiner wirklich zur Kenntnis nehmen. So gut es geht, muss ich bei der Feldarbeit halt auch oft mitarbeiten. Wenigstens hilft uns Lies, die Schnitterin, jeden Sommer bei der Heuernte.
Am Abend zieht der Ochse vom Riedlinger Bauer den hoch beladenen Wagen zu unserem Heubarn hinterm Kuhstall. Ganz oben sitzen die Mutter und die Lies zwischen den Heugabeln, deren Stiele in die Luft ragen. Vater geht neben dem Ochsen und treibt ihn mit einem Ast an.
Mit den Gabeln laden sie anschließend das Heu ab und schichten es locker auf, damit es als Winterfutter für die Kühe trocken bleibt.
...

Der Flüchtlingsstrom reißt nicht ab. Die Rote Armee treibt die Bewohner aus den besetzten Gebieten vor sich her.
Eine Frau, die sich kurz auf dem Bauernhof aufhält, erzählt, dass die Russen bei ihrer Ankunft auf dem Rittergut, wo wir zuvor Unterschlupf fanden, alles kurz und klein geschlagen haben. Aus den wunderbaren, schweren, alten Möbeln bauten sie sich eine Bühne, um darauf zu tanzen.
Russland war bekannt durch seine besonders hochstehende Kultur. Doch in die endlose Weite Sibiriens scheint sie nicht vorgedrungen zu sein.
Die Soldaten wurden in erster Linie von dort rekrutiert. Mit einer Waffe in der Hand fühlen sie sich übermächtig und gebärden sich wie eine Horde wilder Tiere. Alles, was ihnen wertvoll erscheint, wird gestohlen. Vieles ist für sie neu und unbekannt. Uhren, Besteck, mechanische Geräte und natürlich Schmuck - was glänzt und sich bewegt, erweckt ihr Interesse.

Immer wieder ermahne ich Gerda, ihre goldene Armbanduhr abzulegen, aber auf mich will sie einfach nicht hören. Es ist viel zu gefährlich, Schmuck zu tragen.
Man erzählt sich die grausamsten Dinge von Vergewaltigung und Mord, wenn eine Frau in die Hände der russischen Soldaten fällt. Mit ihrer Unvorsichtigkeit riskiert sie Kopf und Kragen.´Wir sind hier sicher. Die Gegend ist doch von den Amerikanern besetzt. Warum sollte ich also meine Uhr hergeben?´, trotzt Gerda schon wieder. Ich kann nur hoffen, dass sie recht behält.
Doch über Nacht schlagen sich die Russen durch und die Amerikaner ziehen sich unbemerkt zurück.
Vorerst halten wir uns in unseren Häuser