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Christoph Schwarz
Jean Piagets Stufenmodell der geistigen Entwicklung: Überlegungen zu seiner Bedeutung für die Unterrichtspraxis
Erstauflage. 2015. 32 S. 220 mm
Verlag/Jahr: BACHELOR + MASTER PUBLISHING 2015
ISBN: 3-9582039-5-7 (3958203957)
Neue ISBN: 978-3-9582039-5-2 (9783958203952)
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Jean Piaget wird meist als Entwicklungspsychologe bezeichnet. Tatsächlich war er jedoch einer der letzten "Universalgelehrten", der - neuartig für seine Zeit - versuchte mittels naturwissenschaftlicher Methoden Fragestellungen aus dem Bereich der Philosophie zu lösen. Aus diesem Ansatz resultierten interdisziplinär neue Impulse für Pädagogen, Philosophen, Biologen und Mathematiker.
Die vorliegende Studie diskutiert die Konsequenzen aus Piagets Theorie der geistigen Entwicklung des Kindes für die pädagogische Praxis. Insbesondere wird dabei auf die konkretoperationale sowie die formaloperationale Stufe seines Modells eingegangen und diese in Bezug auf die Unterrichtsplanung an der Schule betrachtet.
Textprobe:
Kapitel III.2.3, Die konkretoperationale Stufe:
III.2.3.1, Kognitive Aspekte:
Bei dem eben erwähnten Wasserglasexperiment beobachtete Piaget bei Kindern auf der konkretoperationalen Stufe, also zwischen 7 und 11 Jahren, eine sehr viel logischere Schlussfolgerung und Argumentation: in der Regel antworteten sie, die Wassermenge habe sich nicht erhöht, und führten dazu mindestens einen der folgenden Beweise an: es sei dasselbe Wasser, man habe nichts hinzugetan und nichts weggenommen; man könne das Wasser einfach zurückgießen; das zweite Glas sei zwar höher, aber auch dünner als das erste (vgl. Inhelder/Piaget, S.102; Kesselring, S.140). Anhand dieser Argumente lässt sich verdeutlichen, was Operationen i.S. Piagets im Wesentlichen sind:
"Piaget definierte Operationen als verinnerlichte (´interiorisierte´), umkehrbare (´reversible´) Handlungen, die miteinander zu einem System koordiniert sind." (Kesselring, S.142)
Mit dem Begriff der Verinnerlichung wird auf die zunehmende Fähigkeit des Kindes verwiesen, Handlungen in Gedanken mit den jeweiligen Objekten zu vollziehen. Das Denken ist dabei nicht mehr nur auf die unmittelbaren wahrnehmbaren Zustände zentriert, sondern kann auch Zustandsveränderungen, Transformationen erfassen - etwa das Wasser in Gedanken zurückgießen (ebd., S.140). Diese neue Reversibilität des Denkens ermöglicht z.B. einen Vergleich, d.h. eine Koordination des momentan wahrnehmbaren mit der Vorstellung des vergangenen Zustandes. Das Denken wird den Anforderungen der Realität also besser gerecht - es leistet eine Adaption - , indem es fähig wird, von der unmittelbar wahrnehmbaren Realität zu abstrahieren. Analog zu dieser Koordination der beiden Zustände miteinander ist nun auch eine angemessenere Koordination der unterschiedlichen Aspekte des momentan wahrnehmbaren Zustands möglich - etwa des Wasserstands mit der Gefäßform. Dies stellt eine Dezentrierung des Denkens dar, das zuvor auf nur einen Aspekt der Realität fixiert war, und nun fähig ist, zwischen mehreren Blickpunkten hin- und herzuwechseln. Die zunehmende Koordination dieser verinnerlichten Handlungen untereinander - also ihre Organisation - bewirkt ihre logische Strukturierung und Systematisierung, durch welche die Reversibilität erst möglich wird. Damit wird deutlich, dass diese Aspekte nicht getrennt voneinander betrachtet werden können.
Während Verinnerlichung und Organisation in rudimentärerer Form auch schon auf dem Übergang von der senso-motorischen zur präoperationalen Stufe eine Rolle spielten, stellt die Reversibilität eine zuvor noch nicht in Erscheinung getretene qualitative Neuerung dar (vgl. ebd., S.142 ff.). Dabei differenziert Piaget zwischen zwei Formen der Reversibilität: zum einen der Inversion also einer Form der Negation "mit der Eigenschaft, dass die umgekehrte Operation, wenn sie mit der zugeordneten Operation zusammengefasst wird, null ergibt: +A-A=0" (Inhelder/Piaget, S.136), zum anderen der Reziprozität, die eine Kategorie der symmetrischen Beziehungen darstellt.
Die fortschreitende Organisation der Operationen untereinander findet ihre Vollendung in der Zusammenfassung zu einem vollständigen System auf der formaloperationalen Stufe (siehe III.2.3.2.), die er mit den mathematischen Bezeichnungen des ´Verbandes´ und der ´Gruppe´ charakterisiert. In Abgrenzung dazu spricht er bezüglich der konkretoperationalen Strukturen von einer ´Gruppierung´, da die Systematisierung hier schon erkennbar, aber noch unvollständig sei.
Diese Unvollständigkeit der Organisation spielt auch für die charakteristische Begrenzung konkretoperationalen Denkens eine Rolle: es bleibt sowohl auf der kognitiven als auf der moralischen bzw. sozialen Ebene noch auf konkretes Anschauungsmaterial angewiesen. Ohne konkrete Bezugspunkte sind Kinder noch kaum in der Lage, elementare logische oder mathematische Probleme zu lösen. Ebenso machen sie sich in der Regel keine Gedanken über abstrakte moralische b