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Dörthe Wilken
Trauma und Identität: Die Bearbeitung traumatischer Erfahrungen in der Kunsttherapie
2015. 64 S. 13 Abb. 220 mm
Verlag/Jahr: BACHELOR + MASTER PUBLISHING 2015
ISBN: 3-9582040-7-4 (3958204074)
Neue ISBN: 978-3-9582040-7-2 (9783958204072)
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Anerkannt ist heute, dass für zahlreiche psychische und psychosomatische Erkrankungen traumatische Erfahrungen ursächlich oder mitursächlich sind. Um nicht erneut mit ihren Erinnerungen an Traumaerfahrungen in Kontakt zu kommen, weichen viele Menschen davor zurück, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen und bewältigen ihr Trauma nicht. Traumatische Erfahrungen und daraus resultierende Identitätsverunsicherungen können daher auch an nachfolgende Generationen weitergegeben werden. Die Autorin veranschaulicht dies und geht dabei auf die Generationenfolgen im geteilten Deutschland nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges ein. Anhand der Fallgeschichte einer Patientin aus einer stationären psychosomatischen Abteilung stellt sie heraus, dass Kunsttherapie eine besonders wirkungsvolle Therapieform für die Bearbeitung traumatischer Erfahrungen ist.
Textprobe:
Kapitel 4, Die Bearbeitung traumatischer Erfahrungen in der Kunsttherapie:
In der bildnerischen Gestaltung findet die Imagination einen vertiefenden Ausdruck, kann von anderen Menschen wahrgenommen und mit ihnen geteilt werden (vgl. Lücke 2003, S. 132). Das Malen und Plastizieren kann eine erste Option sein, sich der inneren Bilderwelt ohne Angst zuzuwenden. Besonders PatientInnen, die unter Zuständen innerer Überflutung leiden, erlaubt diese kreative Auseinandersetzung eine Strukturierung und Differenzierung der als chaotisch erlebten Innenwelt.
Die tiefenpsychologisch fundierte Kunsttherapie fügt der Arbeit mit Imaginationen die Möglichkeit des Ausdrucks und der Handlungserfahrung hinzu (vgl. Lücke 2003, S. 133). Im Prozess des Gestaltens entsteht ein in der Außenwelt real existierendes und sichtbares, begreifbares Objekt. Die Gestaltung wird zu einem direkt erlebbaren Gegenüber und Spiegel, die eine Chance zur Veränderung bieten. Innere Prozesse zu externalisieren ermöglicht eine Distanz, die einen neuen Blick auf das innere Geschehen erlaubt. Ein selbst geschaffenes Objekt ist sowohl Teil der Innen- als auch der Außenwelt, auf das Einfluss genommen, das verwandelt und in seiner veränderten Form internalisiert werden kann. Vor dem Hintergrund des in der traumatischen Erfahrung erlebten Kontrollverlustes und der Ohnmacht ist ein Wiederherstellen des Vertrauens in die eigene Handlungskompetenz von enormer Bedeutung.
Für manche PatientInnen stellen einzelne Materialien einen belastenden Auslösereiz dar, z.B. durch Berührung, durch ihre Farbe, Form, Symbolhaftigkeit oder durch Geräusche beim Umgang mit ihnen (vgl. Lücke 2003, S. 134). Zu Beginn der Therapie ist es wichtig, die PatientInnen in der bewussten Wahrnehmung solcher Trigger zu unterstützen, sie zu respektieren und Umgangsformen zu entwickeln, die zunächst einer Vermeidung und mit wachsender Stabilität einer erhöhten Toleranz dienen (vgl. ebd., S. 134f.).
4.1, Fallbeispiel einer bulimischen Patientin:
4.1.1, Absteckung des Rahmens: Institution, Setting, Behandlungskonzept und freie Themenwahl:
Für die Dauer von zwei Monaten absolvierte ich eine Praxistätigkeit in einer Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie und war als Co-Therapeutin und teils auch als vertretende Kunsttherapeutin in den kunsttherapeutischen Sitzungen tätig. Betrachten möchte ich eine Patientin aus der stationären Gruppe der PatientInnen mit Essstörungen (ICD-10, F50), für die ein spezielles Behandlungsprogramm zur Anwendung kam (vgl. Leitbild der Klinik 1998).
Die Gruppe der PatientInnen mit Essstörungen im so genannten "Langzeitsetting" war als eine halboffene Gruppe anzusehen, in der sich ausschließlich Frauen befanden, denn zumeist sind die Betroffenen Frauen (vgl. v. Wietersheim 2008, S. 291). Die Patientinnen blieben in der Regel zehn Wochen in jenem Setting. Vorgeschaltet war das dreiwöchige "Klärungssetting", in dem die Behandlungsmotivation sowie Therapieziele der Patientinnen herausgestellt wurden. Im Zuge davon kam es zu einem Behandlungsvertrag zwischen der Klinik und der Patientin, woran beide Seiten gebunden waren.
Die vorrangigen Verfahren bei der Behandlung von Essstörungen sind psychotherapeutisch (vgl. American Psychological Association 2006 und National Institute of Clinical Excellence 2004 in v. Wietersheim 2008, S. 295). Das Behandlungskonzept der Klinik war tiefenpsychologisch fundiert und enthielt daneben verhaltensmodifizierende Maßnahmen (vgl. Leitbild der Klinik 1998). Symptome wurden trotz ihrer objektiven Schädlichkeit vorübergehend als eine unverzichtbare Stütze für das Selbstwertgefühl der Patientinnen respektiert. Die Konzentration richtete sich zunächst auf das Symptomverhalten und die begleitenden Kognitionen und Affekte, während mit Besserung der Symptomatik die Konfliktzentrierung zunahm. Die therapeutische Beziehung diente als Motor für den Symptomveränderungsprozess. Um eine strukturelle