Neuerscheinungen 2015Stand: 2020-02-01 |
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Daniela Biller
Selbstsozialisation und Selbstbildung als Ablöse? Eine umfassende Untersuchung sozialisatorischer und bildungstheoretisc
Erstauflage. 2015. 72 S. 7 Abb. 220 mm
Verlag/Jahr: DIPLOMICA 2015
ISBN: 3-9593451-6-X (395934516X)
Neue ISBN: 978-3-9593451-6-3 (9783959345163)
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In der heutigen Zeit beschäftigt sich die Fachliteratur vorrangig mit den Themen Individualität und individuelle Förderung durch Bildung. Dabei fehlt es jedoch oft an Tiefe und Einbezug aller, innerhalb einer Gesellschaft auftretenden Besonderheiten.
Dieses Buch eröffnet einen andersartigen Blickwinkel auf die gesellschaftlichen Phänomene Selbstsozialisation und Selbstbildung: Die Debatte um Sozialisation, Bildung, Milieu und Habitus wird neu aufgerollt und in Verbindung mit dem selbst als Individualität gebracht. Neben einer Herausarbeitung bildungsrelevanter Grundlagen über verschiedene Autoren steht vor allem die kritische Beleuchtung der Theorie im Vergleich mit ihrer praktischen Umsetzung im Vordergrund.
Können Begriffe wie Selbstsozialisation und Selbstbildung weitreichend geltend gemacht werden und als Vorreiter eines individuellen Zeitalters gesehen werden?
Textprobe:
Kapitel 4.2, Rolle der Gesellschaft:
In Orientierung am Begriff Selbstorganisation nach Hurrelmann und auch mit Blick auf das Selbstsozialisationskonzept bei Zinnecker ist eine Auseinandersetzung mit den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und Veränderungen unumgänglich. So wurde bereits angedeutet, dass sich gesellschaftliche Gegebenheiten vor allem verstärkt seit den fünfziger Jahren in einem Wandel befanden und befinden. Heute ist die Rede von einer sogenannten Individualisierungsgesellschaft. Daher wird der Frage, welche Rolle die Gesellschaft bei der Selbstsozialisation oder, um bei Hurrelmann zu bleiben, bei der Selbstorganisation spielt, in diesem Kapitel besondere Aufmerksamkeit zuteil. Die Formung und Herausbildung eines Lebenslaufs und der Biografie findet unausweichlich in einem gesellschaftlichen Kontext statt. Obwohl in der heutigen Gesellschaft viele Handlungsfreiheiten für den Einzelnen bei der Gestaltung des Lebenslaufs besteht, ist die Auswahl der Fähigkeiten nicht willkürlich von persönlichen Vorlieben und Wünschen abhängig (Hurrelmann, 2002, S.158). Die Entwicklung der Persönlichkeit im Rahmen des Lebenslaufs ist an gesellschaftliche Strukturen ökonomischer oder kultureller Art gebunden. Zinnecker vernachlässigt die Einbeziehung dieser soziostrukturellen Seite (Hurrelmann, 2002, S.158): Der Zusammenhang zwischen Subjekt und Gesellschaft liegt nicht ausschließlich in der Verantwortung des Einzelnen, sondern auch in der der Gesellschaft (vgl. Hurrelmann, 2002, S.159).
Moderne Gesellschaften bieten gegenüber vergangenen eine Fülle an Möglichkeiten und Entscheidungsspielräumen unter geringerer Kontrolle. Der Nachteil dieses Modells ist, dass man aufgrund der Vielzahl an Optionen, schnell den Überblick verlieren kann. Im Vergleich zu Erwachsenen fällt Kindern und Jugendlichen der Umgang mit den aufgebrochenen Strukturen leichter, da diese direkt in ihre Persönlichkeitsentwicklung integriert werden können. Dennoch ist es eine Herausforderung für Altersklassen aller Art, so Hurrelmann, Problembewältigung zu leisten und mit der Pluralität von Lebenswelten umzugehen (Hurrelmann, 2002, S.159). Das Auflösen gesellschaftlich gefestigter Strukturen durch Schnelllebigkeit, unverbindliche, veränderbare Werte und eine Vielzahl an möglichen Lebensstilen rückt die individuelle Perspektive stärker in den Blick. Alles, was für die stabile Entwicklung der Persönlichkeit vorausgesetzt sein sollte, kann heutzutage nicht mehr garantiert werden. Somit ist die selbstorganisierte Überarbeitung und flexible Gestaltung des eigenen Lebens dauerhaft erforderlich. Die selbstständige Problembewältigung und die Suche nach Begründungen für Handlungen mit dem Ziel, dass bei deren Reflexion alles einen Sinn ergibt, führt Hurrelmann zu dem Begriff Selbstorganisation (Hurrelmann, 2002, S.159) zurück. In der Tat ist es plausibel Hurrelmanns Annahmen über die Veränderungen in der Gesellschaft zu folgen und diese in die Definition einer erforderlichen Selbstsozialisation einzubinden. Wie bereits geklärt, bietet Selbstorganisation eine bessere begriffliche Stütze, aus dem einfachen Grund, dass der Begriff Selbstsozialisation die bei der Sozialisation gefragte soziale Integration weglässt. Das Vorhandensein von gesellschaftlichen Einschränkungen oder Vorgaben (kulturell, institutionell, politisch, rechtlich) lässt sich nicht leugnen. Obwohl erweiterte Entscheidungsspielräume positiv gesehen die individuelle Entwicklung fördern, wird die Gestaltung des Lebenslaufs in modernen Gesellschaften durch nachfolgende Aspekte beeinträchtigt: Die Vielfalt der Bildungsangebote verbunden mit jeweiligen Abschlüssen macht es schwierig einen Überblick zu behalten. Die Rolle der Gesellschaft bezüglich der Bildung wird im Punkt 5.2 ausgeführt. Hurrelmann weist auf die erschwerte Vereinbarkeit von Familie und Arbeitsplatz aufgrund der fehlenden Toleranz einer Familienplanung seitens der Arbeitgeber hin.