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Simon Odenwald
Erziehung im Jugendstrafvollzug: Reichweiten, Grenzen, Alternativen
2015. 84 S. 5 Abb. 220 mm
Verlag/Jahr: DIPLOMICA 2015
ISBN: 3-9593466-2-X (395934662X)
Neue ISBN: 978-3-9593466-2-7 (9783959346627)
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Wegsperren und das am besten für immer - Immer wieder wird, allen kriminologischen und erziehungswissenschaftlichen Erkenntnissen zum Trotz, in der Presse, Politik und sogar in der Wissenschaft darüber diskutiert, ob Jugendkriminalität durch eine repressivere Vorgehensweise entgegengewirkt werden könne. Bei einer solchen Diskussion wird oft vergessen, dass solche Forderungen dem gesetzlich verankerten Erziehungsanspruch des Jugendstrafrechts diametral entgegenstehen.
Dennoch, ein solches rückständiges Verständnis des Jugendstrafrechts verwundert kaum, denn bei einer näheren Betrachtung des Jugendstrafvollzugs, als härteste Sanktionsform des Jugendstrafrechts, wird deutlich, dass in dieser zur Bestrafung eingerichteten Institution, Erziehungsbemühungen allenfalls eine untergeordnete Rolle spielen.
Textprobe:
Kapitel 6.3.2, Subkulturbildung:
Ein weiteres Risiko im Jugendstrafvollzug stellt die Bildung von dissozial orientierten Subkulturen dar. In der totalen Institution des Jugendstrafvollzugs, welche auf einem gestaffelten Autoritätssystem fußt, werden die Gefangenen an den untersten Platz in diesem hierarchischen System verwiesen. Die Gefangenen haben kaum Mitsprachrecht, unterliegen verschiedensten Zwängen, werden umfassend bevormundet und vereinnahmt. (vgl. Nickolai 2011, S. 19 ff.)
Diese Deprivationserfahrungen führen zur Herausbildung von subkulturellen Gruppierungen. Daher könnte ihr Verhalten als Schutzfunktion beschrieben werden, es gleicht einer Adaptionsstrategie zur Reduzierung von Stressfaktoren und zur Aufrechterhaltung bzw. Wiederherstellung von Selbstachtung und individueller Würde im Strafvollzug (vgl. Laubenthal 2011, S. 129). Im Gegensatz zu diesem Deprivationsmodell gibt es noch einen anderen Erklärungsansatz zur Entstehung von Subkulturen.
Die kulturelle Übertragungstheorie geht davon aus, dass die Konzentration von Menschen mit bestimmten Persönlichkeitsmerkmalen und sozialen Identitäten ursächlich für die Entstehung einer Subkultur sind. Die Gefangenen treten schon mit bestimmten Lebenserfahrungen, Prägungen sowie Wert- und Normvorstellungen die Haft an und nehmen diese auch in den Strafvollzug mit. Die dann im Strafvollzug gezeigten kriminellen Verhaltensweisen, spiegeln nur das auch außerhalb der Anstalt existierende kriminelle Verhalten wider. (vgl. Laubenthal 2011, S. 129)
Einen großen Konsens in der Rechtswissenschaft findet auch das Integrationsmodell. Dieses bestimmt Deprivationserfahrungen wie auch eigene Lebensprägungen und soziale Identitäten als Ursache der Subkulturbildung im Strafvollzug. (vgl. Ostendorf 2012, S. 445 ff.)
Allein schon die Tatsache, dass das Verhalten der Gefangenen von ihren bisherigen Lebenserfahrungen geprägt ist, trägt dazu bei, dass mobilisierte Gegenkräfte zur Schaffung von Freiräumen oder um den Beschränkungen des Jugendstrafvollzugs zu entgehen, oft Formen illegaler Handlungsweisen annehmen. Diese Handlungen werden dann von den Bediensteten im Jugendstrafvollzug als Störungen oder Regelverstöße wahrgenommen, welche ihrerseits wieder als Anlass zum Einschreiten interpretiert werden und zur Verschärfung von Haftstrafen führen. Es ergeben sich also zwei gegenseitige und wechselseitig verstärkende Systeme: auf der einen Seite das System der Gefangenensubkultur und auf der anderen Seite das System der Bediensteten im Jugendstrafvollzug. (vgl. Ostendorf 2012, S. 447) Damit bedingt schon allein eine repressivere Vollzugsgestaltung illegale Handlungsweisen der Gefangenen und führt zur Stärkung der Subkultur.
Aber auch innerhalb der Subkultur gibt es immer auch Werte, Normen und gruppeninterne Regeln, welche oft mit den Regeln und Normen im Jugendstrafvollzug kollidieren. Auch werden illegale Handlungsweisen eingefordert, um in der Statushierarchie der Subkultur zu steigen. Diese Handlungen können z. B. Drogendelikte, Gewaltdelikte oder Sexualdelikte darstellen. Werden diese Werte und Normvorstellungen zu denen des Gefangenen, wird von einem Prisonisierungsprozess gesprochen. Damit ist die Akkulturation der Gefangenen an die devianten Normen einer Subkultur gemeint. Je nachdem, welche Rolle der Gefangene in der Subkultur eingenommen hat, ist der Prisonisierungsprozess individuell unterschiedlich ausgeprägt. (vgl. Laubenthal 2011, S. 127)
Bei der Bildung von Subkulturen kommt es zur Herausbildung verschiedener Insassenrollen, welche auf dem informellen Status der einzelnen Gefangenen beruhen. Der Status in der Hierarchie einer Subkultur im Strafvollzug kann von verschiedenen Faktoren abhängig sein, wie z. B. der Deliktart, deretwegen ein Insasse inhaftiert wurde, Zugangsmöglichkeiten zu illegalen Gütern, einflussreiche Kontakte zu anderen Mitinhaftierten, aber auch der Besitz sozialer und interkultureller Kompetenz sowie fundier