Neuerscheinungen 2015Stand: 2020-02-01 |
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Niels van der Woude
Die Bedeutung körperlicher Devianz im Schulsport. Möglichkeiten und Hindernisse zwischen Theorie und Praxis
Erstauflage. 2015. 104 S. 220 mm
Verlag/Jahr: DISSERTA 2015
ISBN: 3-9593510-4-6 (3959351046)
Neue ISBN: 978-3-9593510-4-1 (9783959351041)
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Im Sportunterricht steht der menschliche Körper im Fokus der Aufmerksamkeit. Innerhalb unserer Gesellschaft und somit auch im Bereich institutioneller Bildungseinrichtungen muss der menschliche Körper einer Vielzahl von Anforderungen gerecht werden. Von der motorischen Funktionsfähigkeit bis hin zu sozial konstruierten Normativitätsvorstellungen steht der menschliche Körper in einem permanenten Spannungsverhältnis zwischen sozialen Anforderungen und seiner Materialitätsbasis. Aufgrund phänotypischer Andersartigkeit, körperlicher Beeinträchtigung sowie abweichender Sexualität und Geschlechtlichkeit entstehen allzu schnell Formen sozialer Diffamierung und Isolation, die sich als schmerzhafte Erfahrungen in den Lebensläufen der betroffenen Individuen bemerkbar machen. Es sind jedoch gerade die Unterschiede, die unseren Erfahrungsschatz bereichern können. Diversität als Chance!
Textprobe:
Kapitel 4.1, Stereotype Verhaltensbilder im Schulsport:
Jungen spielen Fussball. Mädchen tanzen gerne. Jungen sind stark und durchsetzungsfähig, Mädchen eher einfühlsam und zart. "Ein deutscher Junge weint nicht" (Marienfeld, 2011, S. 107). "Der Junge in der rhythmischen Sportgymnastik muss mit vergleichbaren Widerständen und Diskriminierungen rechnen wie das boxende Mädchen oder die Trainerin einer Herrenbasketballmannschaft" (Gieß-Stüber, 2000, S. 31). Solche Aussagen scheinen in der heutigen Zeit, einer Zeit der weiblichen Emanzipation sowie der Existenz einer Vielzahl an pluralistischen Formen von Lebensweisen, hinsichtlich Geschlechts- und Rollenmustern, antiquiert und klischeebehaftet zu sein. Dennoch greifen im Schulsport Mechanismen, die stereotype Verhaltensweisen und geschlechtsspezifische Rollenmuster einfordern und bei Missachtung dieser, Sanktionierungsroutinen bereithalten. So schreibt Sykes (2011, S. 36):
"Men s and women s sport along with boys and girls physical education have been, and continue to be [Hervorhebung v. Verf.], ubiquitous and unquestionable ways in which to organize physical activity and, thus, physical education".
Die Aussage von Sykes beschreibt ein stereotypes Bild, welches immer noch fest im Sportunterricht verankert zu sein scheint: Es gibt Sportarten die männlich bzw. weiblich konnotiert sind und ein Inventar von "maskulinen" bzw. "femininen" Verhaltensweisen und Körperpraktiken mit sich bringen. Die geschlechtliche Zuschreibung maskulin bzw. feminin lässt nur wenig Spielraum für andere geschlechtliche Lebensweisen und trägt zu einem Bild bei, das auch im Sportunterricht eine unangenehme Grauzone für alles das darstellt, was sich fernab der geschlechtlichen Dichotomie bewegt.
Im Sportunterricht steht der Körper im Fokus der Aufmerksamkeit. Die Differenzen, die sich aus der geschlechtlichen Zweiteilung in männlich bzw. weiblich ergeben, "werden [im Sportunterricht] verleiblicht und formen unsere subjektive Evidenz" (Gieß-Stüber 2000, S. 34). So greift auch im Sportunterricht folgendes Phänomen: Sozial konstruierte Rollenmuster werden hinsichtlich geschlechtlicher und körperlicher Ordnungen "verinnerlicht und dann reflexhaft, scheinbar freiwillig befolgt und nachvollzogen" (ebd.). Die Verweigerung der geschlechtlichen Zuordnung birgt gerade im Sportunterricht für SuS immense Probleme. So treten Perspektiven, Wünsche sowie Bedürfnisse der SuS in ein Spannungsverhältnis mit aufgezwungenen, stereotypen Verhaltensweisen. Eine geschlechtliche Zuordnung scheint geradezu notwendig für die Partizipation am Unterricht: "Um einem Geschlecht zugeordnet zu werden, müssen die Individuen nicht die dazu gehörenden Eigenschaften unter Beweis stellen, vielmehr werden ihnen umgekehrt diese Eigenschaften unterstellt und ihr Verhalten nach Maßgabe ihrer Geschlechtszugehörigkeit bewertet" (Nissen, 1997, S. 69).
Welcher Platz im Sportunterricht kommt Mika zu, der sich zwischen den Geschlechtern bewegt und geschlechtsspezifische Verhaltensanforderungen im Sportunterricht nicht erfüllen kann und will? Der Fokus auf den Körper ist für Mika mit Schmerzen, Scham und Ohnmacht verbunden und zwingt ihn in ein prekäres Verhältnis zwischen Teilnahme und Nicht-Teilnahme am Sportunterricht. Sein Körper fügt sich in kein stereotypes Rollenmuster und zeigt trotz seiner männlichen Erscheinungsform, durch das temporäre Brustwachstum, weibliche Züge. Von Seiten des Lehrpersonals erfährt Mika nur wenig Rückhalt:
"Nur vorübergehend wurde Mika vom Sportunterricht befreit, weil Lehrer/innen und Schüler/innen Verständnis für seine Situation aufbrachten, in den übrigen Zeiten war er gezwungen, das schwere Atmen und die blauen Flecken auszuhalten und hinzunehmen" (Klika, 2012, S. 368).
Mika ist hinsichtlich seiner Problematik nicht alleine. Sykes (2011, S. 41) schildert in einem Interview mit Arnand, einem Schüler, der sich als weiblich empfindet, jedoch ein männliches E