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Neuerscheinungen 2016

Stand: 2020-02-01
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Mile Stojic

Via Vienna


Roman
2016. 224 S. 212 mm
Verlag/Jahr: DRAVA 2016
ISBN: 3-85435-785-0 (3854357850)
Neue ISBN: 978-3-85435-785-8 (9783854357858)

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Via Vienna ist ein mehrdimensionaler und durch den Krieg in Bosnien gebrochener Blick auf die Wiener Befindlichkeiten und Merkwürdigkeiten, aber auch auf viele Persönlichkeiten der k._u._k. Monarchie, dem "Land für Genies", wie Robert Musil sein Kakanien nannte.
Der Autor führt uns auf die Reise ins Wien in den Zeiten der Monarchie, zur Geburtsstätte großer künstlerischer und wissenschaftlicher Genies, bis in die Zeit der Moderne, er erzählt uns auf seine Art die Geschichten berühmter Persönlichkeiten ganz neu, von Freud über Kafka bis hin zu Romy Schneider. Voller Erzählkunst, Dramatik, Tragikomik, Melancholie, Gefühlswärme, häufig mit feiner Ironie, die den Unterhaltungswert dieses Buches steigert, bezaubert Via Vienna mit Geschichten über eine untergegangene Welt. Der Blickwinkel des Autors ist dabei nie einseitig. Es entfaltet sich ein mitteleuropäischer Gedankenhorizont, der weit in die Vergangenheit zurückreicht und immer zum Ende des 20. Jahrhunderts als zeitlichem Ausgangspunkt der "Reise" zurückkehrt, die gekennzeichnet ist von Krieg und Vertreibung.
Der Kritiker Filip David nennt das Buch ein "echtes erzählerisches Juwel" und fügt hinzu, es "vereinige in sich Essay, Reisebericht und dichterisches Erleben einer charakteristischen Stadt, die einen besonderen Platz in der wirklichen und mythologischen Geschichte Mitteleuropas einnimmt".
Via Vienna enthält Essays und Schriften, die Mile Sotjic großteils als wöchentliche Kolumnen in den Wochenzeitungen Dani (Sarajevo) und Feral Tribune (Split, inzwischen eingestellt) veröffentlicht hat, aber auch einige bisher unveröffentlichte Texte.
Via Vienna ist 2008 in der Originalsprache sowohl in_Beograd als auch in Zagreb erschienen.
Im März 2002 schloss die berühmte österreichische Buchhandlung Gerold am Graben, mitten im Herzen Wiens. Diese Universitätsbuchhandlung, gegründet 1775, war zur Zeit der k.u.k. Monarchie das Symbol des Verlagswesens eines Kaiserreichs, um in der heutigen Zeit ein Kultort zu werden, der Mittelpunkt literarischer Nostalgie für die Herrschaftszeiten des Doppeladlers. All das, was sich nach der Vergangenheit sehnt, wird leicht auch selbst Vergangenheit - der Inhaber konnte nicht mehr dem Diktat des Profits folgen, also nicht die überteuerte Miete in der Wiener City zahlen, und jetzt errichten Arbeiter an der Stelle der wurmstichigen Buchhändlerregale und Gerüste metallene Stellagen, Spiegel und Kabinen des italienischen Modehauses Stefanel. Ich beobachte, wie ein Bauarbeiter gesichtslose Plastikpuppen hineinträgt und sie im Schaufenster aufstellt, in dem beinahe ein Vierteljahrtausend lang Bücher gewohnt hatten, ein ganzer Bücherozean, und mich erfasst eine sanfte Trauer um einen der seltenen Orte, an denen ich als Kriegsemigrant eine Zufluchtsstätte fand.
In der Buchhandlung Gerold kehrte ich im Laufe des letzten Jahrzehnts oft ein, sah stundenlang die Regale durch, sichtete mit Genauigkeit die riesigen Holzkisten mit der Überschrift ´Ausverkauf´, sammelte Verlagsprospekte ein und kaufte das eine oder andere Buch. In der Zeit, als in meinem Land der Krieg tobte, fand ich in dieser fremdsprachigen Buchhandlung Sicherheit wie in einem warmen Schlupfwinkel - unbekannte und vertraute Autoren, so schien es mir damals, teilten mir von den Wänden mit: Fürchte dich nicht, du bist einer von uns, alles was dir geschieht, haben wir schon durchlebt ...

Der Superlativ des Adjektivs ´glücklich´ hat in Wien, der lokalen Morphologie zufolge, die Form eines Substantivs. Glücklich, glücklicher, ein Wiener. Es besteht kein Zweifel, dass auch andere Städte ähnlich kreative Einfälle haben, doch Wien, das in der Vergangenheit für uns das administrative Zentrum war und das heute die nächstliegende Weltmetropole ist, hat bei uns eine vollkommen andere, negative Bedeutung. Ich wollte dieser Stadt, die mir in den schlimmsten Stunden einen Zufluchtsort bot, eine Whitmansche Ode dichten, aber spärliche Kenntnisse und erhebliche Vorurteile hielten mich davon ab. Wir, die Schriftsteller der Balkanvölker, ahmen in den eigenen Texten meist nur imitatorisch die Gesten der Eroberer und Okkupanten nach, die unsere Geschichte erschufen; in dem Glauben, dass wir so gegen sie ankämpfen.