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Stand: 2020-02-01
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Angela Haas

Individuelle Migrationsentscheidungen und ihre Determinanten am Beispiel von Swerdlowsk 1945-1991. Soziale Netzwerke und


Dissertationsschrift
2016. 260 S. 51 Abb. 220 mm
Verlag/Jahr: DISSERTA 2016
ISBN: 3-9593532-4-3 (3959353243)
Neue ISBN: 978-3-9593532-4-3 (9783959353243)

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Das Ziel der vorliegenden Studie besteht darin, einen kleinen Beitrag für die weitere Entwicklung der Migrationsforschung zu leisten, indem eine Erweiterung des theoretischen Modells einer Wanderungsentscheidung sowie eine tiefergehende Analyse der individuellen Migrationsentscheidungen und ihrer Einflussfaktoren angestrebt werden.
Dabei wird ein Erklärungsmodell entwickelt, welches das klassische rationale Migrationsentscheidungsmodell um eine weitere (Vor-)Stufe und eine psychologische Komponente ergänzt.
Es soll herausgearbeitet werden, wie ein Entscheidungsmechanismus im Rahmen einer regionalen Wanderung aussieht und welche Faktoren diese Entscheidung beeinflussen. Bei der Faktorenanalyse richtet sich der Fokus insbesondere auf die Wirkung von sozialen Netzwerken vor dem Hintergrund anderer (individueller) Faktoren.
Textprobe: Kapitel 3.1: Soziologische und psychologische Aspekte einer Wanderungsentscheidung:
3.1.1 Migrationsentscheidung im Rahmen des Rational-Choice-Ansatzes unter Berücksichtigung von Habits und Frames:
Rational-Choice-Theorie ist ein viel diskutierter und kritisierter Ansatz innerhalb von vielen Disziplinen. Auch in den Sozialwissenschaften wurden Rational-Choice-Ansätze häufig kritisiert mit dem Hinweis, sie setzten ein rational denkendes und perfekt informiertes Individuum voraus, und daher traditionales oder habituelles Denken sowie Phänomene der nicht-logischen oder affektkontrollierten Handlungen nicht erfassen könnten.
In einem soziologischen Beitrag von Esser (1990) werden die Fragen der Reichweite und der Brauchbarkeit einer Rational-Choice-Theorie ausführlich diskutiert. Das Ziel seines Beitrags war die Untersuchung der Einwände gegen die RC-Erklärungen. Insbesondere wird dabei auf die Problematiken der bounded rationality und der sog. Frames und Habits als scheinbare Anomalien des RC-Modells eingegangen. In seiner Darstellung zeigt Esser wie diese "Anomalien" in das Grundmodell der rationalen Wahl erfolgreich eingebaut werden könnten.
Bei einer Wanderungsentscheidung handelt es sich um soziales Handeln, welches sich von sonstigem menschlichen Handeln theoretisch nicht unterscheidet. Den Prozess einer Handlungswahl zerlegt Esser in Anlehnung an Lindenberg (1989) in 3 Phasen: Kognition der Situation, die Evaluation der möglichen Konsequenzen einer Handlung und die Selektion einer Handlungsoption nach einer bestimmten Regel. Während der ersten Phase, der Kognition, werden Situationsumstände analysiert, Assoziationen aktiviert und Alltagstheorien aktualisiert. Dabei können bestimmte Verhaltensschemata ausgelöst werden, bevor es überhaupt zu einer weiteren Evaluation der Situation und der möglichen Konsequenzen kommt. Die kognitive Forschung konzentriert sich in der Regel auf diese Entscheidungsphase und das zu Recht, so Esser, solange keine anderen Umstände die Entscheidungssituation beeinflussen. Wenn man davon ausgeht, dass eine Wanderungsentscheidung (in der Regel) keine Routine-Handlung ist, kann sie auch durch kein schematisches Verhalten ausgelöst werden. Zunächst muss sie in das vorhandene Handlungsrepertoire eines Individuums aufgenommen werden.
Während der zweiten Phase, der Evaluation, wird Wanderung als Handlungsoption vor dem Hintergrund anderer Alternativen im Hinblick auf eigene Präferenzen und subjektive Wahrscheinlichkeiten bewertet. Es wird geprüft, welche Handlung welche Konsequenzen nach sich ziehen könnte. In dieser Phase findet für jede Handlungsalternative eine Bewertung statt, in dem die sog. SEU-Werte "kalkuliert" werden: für jedes in Frage kommende Ergebnis wird ein Produkt von subjektiver Wahrscheinlichkeit und seinem Nutzen bzw. Kosten gebildet und über alle erfassten Konsequenzen addiert. Das ergibt den SEU-Wert für jede Alternative. Für die dritte Phase der Entscheidung, die Selektion, wird in der klassischen Rational-Choice-Theorie das Kriterium der Nutzenmaximierung vorausgesetzt. Es werden die SEU-Werte aller Handlungsalternativen verglichen, wobei schließlich die Alternative mit dem höchsten Wert der subjektiven Nutzenerwartung gewählt wird.
Die Vorzüge dieses Modell liegen in seiner Einfachheit, Anschlussfähigkeit und Vollständigkeit: es gibt nur wenige Grundelemente und diese erlauben einen Anschluss an die ökonomischen, soziologischen und psychologischen Handlungsansätze und wurden bereits auf viele verschiedene Phänomene angewandt (abweichendes Verhalten, soziale Bewegungen, Migration, etc.). Die Aufteilung der Handlungswahl in 3 Phasen zwingt außerdem dazu, den Entscheidungsprozess systematisch und vollständig zu erfassen.
Die RC-Erklärungsperspektive stößt jedoch vor allem in zwei Punkten auf Kritik: Erstens folgen menschliche Handlungen so gut wie nie der Maximierungsregel, weil Menschen niemals vollkommen informiert sind und