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Philipp Ruch

Ehre und Rache


Eine Gefühlsgeschichte des antiken Rechts. Dissertationsschrift
2017. 435 S. 213 mm
Verlag/Jahr: CAMPUS VERLAG 2017
ISBN: 3-593-50720-X (359350720X)
Neue ISBN: 978-3-593-50720-0 (9783593507200)

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Nach gängiger Auffassung entstand der Rechtsstaat durch die Zähmung der barbarischen Natur des Menschen: Archaische und vormoderne Gesellschaften seien von Konflikten um Ehre und Rache regiert worden, deren Macht im langwelligen Prozess der Zivilisierung gebrochen wurde. Durch Aufklärung und Modernisierung sei die von den Ehrgefühlen entzündete Gewalt wieder eingehegt worden und Humanität an die Stelle der Triebnatur des Menschen getreten - so die gängige Annahme. Dieses Buch zeigt am Beispiel der griechischen Antike auf, dass die Gefühle, die wir gemeinhin mit Ehre und Rache verbinden, durch das antike Recht überhaupt erst geschaffen wurden. Es leistet einen wichtigen Beitrag zu einer politischen Theorie der Wirksamkeit des Rechts und fügt der Gewaltgeschichte des Menschen in der frühgriechischen Antike eine unerwartete Wendung hinzu.
Inhalt

Erster Teil: Ehre

I. Menschen ohne Ehre

1. Einleitung

Gegenstand und Zielsetzung 13

Zur Problemstellung der Arbeit 31

Grundzug des antiken Rechts: der nomos tyrannos 46

2. Methodische Vorüberlegungen

Antike Texte als Rechtsquellen 57

Gewohnheitsrecht 66

Gesetzes- und Vertragsrecht 71

II. Der Gewinn der Ehre

1. Ehre und Materie

Die Ehre im Spiegel politischer Anthropologie 82

Zeus´ Armut 98

2. Desymbolisierungsresistente Ehren

Der antike Ehrenmaterialismus 106

Die Antastung desymbolisierungsresistenter Ehrenkörper 115

3. Desymbolisierbare Ehren

Die Produktion von Sichtbarkeit und Präsenz 120

Die Ehre im Raum 129

Die Ehre im Leib 136

Exkurs: Grundriss des Ehrgefühls in systematischer Absicht 149

4. Ehre und Recht

Die rechtliche Limitierung der Ehre 160

III. Der Verlust der Ehre

1. Entehrungen im Staatsrecht

Die "Angst vor deshonneur" 170

Vertrag mit dem Recht? 186

2. Entehrungen im Völkerrecht

Die Totalität des Politischen 190

Heraklits ´Drehkreuz´ von Freien und Sklaven 196

Zweiter Teil: Rache

IV. Zum Verhältnis von Ehre und Gewalt

1. Die Konstruktion aggressionsarmer Gesellschaften

Gefühle aus Ehre in der Forschung 205

Der antimoderne Ehrbegriff 216

Antike Formen der Gefühlskontrolle 222

2. Menschen ohne Rache

Die Blutevidenz der Rache in den antiken Tragödien 227

Die Gewaltevidenz der Rache in Epos und Historiographie 242

Recht und Rache 253

Antike Formen der Gewaltkontrolle: im Treppenhaus der Kultur 270

V. Die Entwicklung des archaischen Racherechts

1. Das homerische Racherecht
Die Humanität der Rache bei Homer 287

2. Das posthomerische Racherecht

Handelsverbote mit der Rache: die Entstehung des archaischen

Blutrechts 299

Gewaltuntertretung: die Kippfigur von Gewaltbereitschaft in

Rachezwang 310

Zur Rechtskollision in der Orestie 323

VI. Das zwischenstaatliche Racherecht

1. Fallbeispiele zum Zielkonflikt von Geld und Rache

Treuhänder der Rache: das Schwert des antiken Völkerrechts 333

Die Annektierung von Schicksalsfolgen: Mytilenes Urteil 346

Die Kosten der Gewalt: der Flächenbrand der Rache 353

Exkurs: In der Gärtnerei der Macht. Ein Lehrstück antiker

Staatsräson 361

Der Angriff Schuldloser: hybris im antiken Völkerrecht 366

Der Zielkonflikt zwischen Reichtum und Rache nach der

Sizilischen Expedition 374

VII. Ausblick

1. Petrischalen des Rechts

Die Demontage der Ehre und die Kultivierung der Würde 378

Schluss 387

Literaturverzeichnis 392

Abbildungsverzeichnis 434

Dank 436
"Ruch entwirft ein Bild der Antike, das sich weder schatten- noch sonnenseitig vereinnahmen lässt. Dabei schreibt er kein Epochenporträt, sondern untersucht in aller wünschenswerten Detailliertheit einen Aspekt des antiken Rechtsverständnisses, allerdings einen zentralen." Dirk Pliz, Berliner Zeitung, 28.09.2017

"Eine Untersuchung zur Bedeutung der beiden Begriffe im antiken Recht. In Wahrheit ein Beitrag zu Fragen der aktuellsten Politik." Arno Widmann, Berliner Zeitung, 15.07.2017

"[Die Studie] bereichert unseren Blick auf die Quellen des Altertums, und damit auf uns selbst, um mehr als eine Facette." Guido Pfeifer, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 02.08.2017

"Ruch zeigt in einer detaillierten Analyse der antiken griechischen Überlieferung, dass eine Reihe von Vorstellungen, die wir heute mit beiden Begriffen verbinden, damals nicht galten.", Berliner Zeitung, 22.07.2017