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Manfred von Conta, Luis S. Krausz
(Beteiligte)
Deserto. Zwischen den Welten
Roman
Übersetzung: Conta, Manfred von
2017. 124 S. 21 cm
Verlag/Jahr: SONDERZAHL 2017
ISBN: 3-85449-486-6 (3854494866)
Neue ISBN: 978-3-85449-486-7 (9783854494867)
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Auf der Suche nach der Welt von Gestern reist der Ich-Erzähler, der Europa nur vom Hörensagen kennt, mit einer Gruppe jüdischbrasilianischer Jugendlicher in den 1970er Jahren in einen Kibbuz nach Israel, um etwas über die Geschichte seiner Vorfahren und des Landes zu lernen. Trotz des strengen Verbots der zionistischen Reiseorganisation, Israel zu verlassen, macht er einen "Ausflug" zu Verwandten, die seinerzeit in London vor den Nazis Zuflucht gefunden haben. Für den jungen Protagonisten ist Europa ein geradezu sagenumwobener Kontinent, der Traum einer vergangenen Zeit.
Seine aus Wien stammenden Großeltern waren bereits in den 1920er Jahren nach Südamerika emigriert. Sie konnten in Brasilien Fuß fassen und sich dort eine neue Existenz aufbauen. Die Familie ist weit verstreut, einige Verwandte leben in Israel, andere in England. Alle aber sind sie voll Wehmut nach der guten alten Zeit, voll Heimweh nach einem Mitteleuropa, das es so nur in der Erinnerung gibt.
Luis S. Krausz führt seine Leserschaft durch die komplexe Geschichte einer über die Kontinente verstreuten deutschsprachigen jüdischen Familie, deren Heimat vor dem Krieg Österreich und Deutschland war, die sich nach wie vor der mitteleuropäischen Kultur zugehörig fühlt, aber nirgendwo, weder in Israel, noch in Großbritannien, noch in Brasilien wirklich zuhause ist. So wie die Wüste in der Bibel ein Ort zwischen zwei Welten ist, so ist auch die Situation dieser Auswanderer ein stetes Dazwischen: geprägt von der Unmöglichkeit, eine neue Heimat zu finden und in die alte zurückzukehren.
Diese Geschichte erhält durch den jugendlichen Protagonisten - hin- und hergerissen zwischen überschäumender Neugierde und Naivität - Humor und Lebensfreude. Seine Reise läuft auf zwei Ebenen ab: Zum einen ist sie geprägt durch die realen Erlebnisse und Begegnungen mit seinen Onkeln und Tanten, zum anderen ist alles Erlebte vorweggenommen durch die Erzählungen seiner Familie über das alte Europa - und durch die Aufträge, die ihm sein Vater mit auf die Reise gegeben hat. Die Vorfreude auf das Angekündigte korrespondiert nicht immer mit der Realität ...
Onkel Richard erfreute sich an den nach österreichischer Manier panierten Schweinsschnitzeln, die religiöse Juden mit Entsetzen erfüllt hätten. Bei seinen Ausflügen in die nach Ben Yehuda benannte Straße, wo er bei seinem Bummel kleine Einkäufe machte, fand er immer etwas, das ihn zum Lachen brachte. Es gab dort eine kleine Konditorei, die Kuchen und große Mengen diverser Kekse verkaufte, gebacken nach mitteleuropäischer Rezeptur und angerichtet in einer Art, dass sie wie aus Füllhörnern jener Gegenden zu quellen schienen, die man dort auf der anderen Seite hatte verlassen müssen, aus den Füllhörnern Rumäniens oder Ungarns und anderer Kronländer des Hauses Habsburg, die nun alle verbotene Erde waren, als seien sie ein Sodom und Gomorra der Moderne. Ihre Aromen freilich hatten hier ein überraschendes Fortleben gefunden, inmitten des geschäftigen Gedränges auf den Bürgersteigen und unter den schwarzen Rauchwolken, die Omnibusse der Marke "Leyland Tiger" in die Luft bliesen. (...)
Aller Augen richteten sich auf mich, auf dieses Mitglied ihres Stammes, das aber in einem sehr fernen, heißen und wilden Land zur Welt gekommen war. Sie betrachteten mich mit dem gleichen forschenden Blick, den man im Zoologischen Garten auf einen seltenen exotischen Vogel richtet, vergleichbar etwa mit dem Befremden, das die Raritätensammlung im Wiener Prater mit ihren Käfigen voll Nachbildungen australischer Ureinwohner und afrikanischer Pygmäen beim Betrachter auslöst. Ich fühlte mich wie ein Ausstellungsstück jener Abteilungen im Wachsfigurenkabinett der Madame Tussauds, in denen barbarische Einwohner fremder Landstriche gezeigt werden, die das Licht der Zivilisation noch nicht erreicht hat."