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Neuerscheinungen 2017

Stand: 2020-02-01
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Pierre Michel, Octave Mirbeau, Eva Scharenberg (Beteiligte)

Diese verdammte Hand


Roman
Mitarbeit: Michel, Pierre; Übersetzung: Scharenberg, Eva
2017. 176 S. 208 mm
Verlag/Jahr: WEIDLE VERLAG 2017
ISBN: 3-938803-84-3 (3938803843)
Neue ISBN: 978-3-938803-84-4 (9783938803844)

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Ein Haus auf einer Bergspitze, völlige Einsamkeit, der Blick in den Himmel unverstellt, Stille. Ein Paradies für einen Künstler, ein Rückzugsort. Doch als der anonyme Erzähler seinen Freund Georges dort besucht, findet er ihn völlig verändert und lebensmüde vor.

Zur Erklärung gibt Georges dem Erzähler sein Tagebuch.
Als kränklicher Sonderling wächst Georges auf dem Land auf und erkennt erst in der Bekanntschaft zum selbstbewußten und charismatischen Maler Lucien, daß auch er ein Künstler ist. Gemeinsam leben sie in Paris, doch das der Kunst gewidmete Leben offenbart bald seine Tücken: Ein Wechselspiel zwischen manischer Arbeitswut und lähmender Depression setzt bei Lucien ein. Die Flucht aufs Land - auf eben jene einsame Bergspitze - entpuppt sich als dramatische Fehlentscheidung. Während Georges in Paris gerade erst langsam seine eigene Identität entdeckt, wird Lucien zunehmend unzurechnungsfähig und quält sich mit seiner Einsamkeit und Zweifeln an seinem Werk.
Zurück in Paris stürzt sich Lucien in eine letzte fieberhafte, geradezu wahnsinnige Arbeitsphase, die in einer Katastrophe endet.

Der Maler Lucien ist leicht als Vincent van Gogh zu identifizieren, den Mirbeau gut gekannt hat: Octave Mirbeau war derjenige, der als einziger ein Werk van Goghs zu dessen Lebzeiten gekauft hat.
"Ich habe mich eindeutig getäuscht. Oft habe ich die Kühnheit besessen, zu glauben, ein Künstler zu sein, ein Künstler werden zu können. Ich war verrückt. Ich bin nichts, nichts als ein unnützer Sämann, der totes Korn auswirft. Nichts keimt, nichts von der Saat, die ich in den Wind geworfen haben wie der bedauernswerte, unfruchtbare Onan, wird jemals keimen, und ich habe es satt, so satt. Und ich ertrage es nicht länger. Man könnte sagen, es genügt, daß meine Hand diese Saaten der Kunst und des Lebens nur berührt, um den Keim verderben zu lassen! [...]
Aber wenn ich kein Künstler bin, was bin ich dann? Und was soll ich tun? In Wahrheit weiß ich es nicht. Ich bin zu keiner Arbeit fähig, und der Fluch der Natur liegt auf mir. Eggen ziehen oder Lasten tragen? Dazu bin ich zu schmalbrüstig. Die Menschen lehren, ihnen das Schöne predigen? Doch die Menschen verstehen nichts. Sie sind zu antiquiert. Mit Kindern sprechen? Mit kleinen Kindern, deren Schädel noch nicht verknöchert sind durch das Leben, deren Hirne noch nicht erstarrt sind durch die Erziehung? Ach! Sobald ich mich in der Gegenwart eines Kindes wiederfinde, verschlägt es mir die Sprache! Es kommt mir vor, als wüßten die Kinder über alle Dinge viel mehr als ich. Oft besucht mich hier ein alter, armer Mann, der um Almosen bittet, ein sehr alter, armer Mann, beinahe blind und von seiner Enkelin geführt, die taubstumm ist! Und der Blick dieser Stummen ist erschreckend unendlich! Man könnte meinen, dieser Blick hätte alles gesehen, alles gekannt. Er ist weit wie ein Himmel und tief wie ein Abgrund. Er reicht von tiefster Dunkelheit bis zum strahlendsten Leuchten. Vor diesem Blick, der niemals etwas gehört hat von dem, was die Menschen sagen, vor diesem geschlossenen Mund, diesem Mund wie eine unberührte Blume, den niemals ein menschliches Wort befleckt hat, fühle ich mich so klein, so ehrfürchtig, so unbedeutend, zittere wie ein Hund vor seinem Herr!
Ich habe sie für einige Tage aufgenommen, den alten Blinden und die kleine Stumme. Mehr als zehn Leinwände habe ich bepinselt. Ich wollte durch eine Verbindung von Linien und Formen all das ausdrücken, was ein Blinder sehen kann, verstehst Du, all das, was eine Stumme sagen kann, feinsinnig werden. Nun ... es ist nichts dabei herausgekommen! Nichts! Meine Hand hat sich geweigert, das zu malen, was ich empfand, was ich im Innern verstand, all die Gefühle, die meine Seele erfüllten, vor diesem firmamentalen Blick und diesem astralischen Mund. Verstehst Du? Oh! Wenn ich ein Beil gehabt hätte, ich schwöre Dir, hätte ich mir die Hand abgehackt, und ich hätte eine diabolische Freude dabei verspürt, sie, diese verdammte Hand, an die Tür meines Ateliers zu nageln wie ein Spottobjekt!"